»Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten«, lautet die Devise beim diesjährigen Weltfrauentag. Viele gut ausgebildete Frauen tappen nach der Familienpause in die Teilzeitfalle, weil es an Betreuungsplätzen ihrer Kinder fehlt oder starre Zeitmodelle in Kitas und Unternehmen miteinander kollidieren. Noch vor einigen Jahren war das ein beliebtes Modell, der Mann geht arbeiten und die Frau kümmert sich um Familie und bessert das Einkommen mit einem Minijob auf. Doch die Zeiten und damit auch die Strukturen haben sich geändert – zumal die volkswirtschaftlichen Nachteile auf der Hand liegen: Frauen, die während ihrer beruflichen Laufbahn durchschnittlich weniger verdienen, zahlen geringere Beiträge ins Renten- und Krankenversicherungssystem ein und sind nicht selten auf staatliche Ergänzungsleistungen angewiesen. Vor allem alleinerziehende Mütter und später Rentnerinnen sind davon betroffen. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Frauen von ihrem Partner finanziell abhängig sind. Dies schränkt sie in ihrer Lebensgestaltung ein.
Der demografische Wandel verstärkt die Problematik. Denn es gibt einen eklatanten Fachkräftemangel nicht nur im IT-Bereich oder im Handwerk, sondern auch in sozialen Berufen; es gibt zu wenig Fachkräfte in Schulen und Kitas. »Bundesweit fehlen bereits jetzt über 100.000 Erziehern. Bis 2030 rechnen Studien sogar mit bis zu 230.00 fehlenden Fachkräften. Die Auswirkungen sind bereits für alle Beteiligten deutlich spürbar: Träger können den Familien nicht ausreichend Kitaplätze zur Verfügung stellen, Betreuungszeiten müssen gekürzt werden«, heißt es vom Deutschen Kitaverband. Hier fehlen Stellen, um Kinder zu betreuen, damit Mütter berufstätig sein können.
Politik und Arbeitgeber sind gefragt
Aber genau da müsste die Politik ansetzen, um Müttern mehr Flexibilität zu bieten. Gleichzeitig müssen mehr Arbeitgeber umdenken. Flexible Arbeitszeitmodelle, mehr Homeoffice oder Sabbatical-Regelungen würden Familien mehr Spielraum geben und Frauen hätten die Möglichkeit, in ihren Berufen den Anschluss zu behalten und so Fachkräftemangel und Altersarmut zu lindern. Dazu sagte Familienministerin Lisa Paus bereits im Oktober vergangenen Jahres in einem Zeitungsbericht: »Wenn alle Frauen mit Kindern unter sechs Jahren so viele Stunden im Job arbeiten würden, wie sie Umfragen zufolge gerne möchten, dann hätten wir mit einem Schlag 840.000 mehr Arbeitskräfte in Deutschland.«
Ein weiteres gesellschaftliches Problem ist die Wahrnehmung und Wertschätzung von Berufen, die als frauentypisch gelten, wie zum Beispiel pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten, die immerhin nicht mehr »Kindergärtnerinnen« genannt werden. Obwohl Frauen auch Regierungschefinnen sind, Pilotinnen, Gehirnchirurginnen oder sogar Nobelpreisträgerinnen, werden sie in der Gesellschaft häufig noch anders wahrgenommen. Es ist es immer noch notwendig, dass Frauen »ihren Mann stehen«, oder sie werden gefragt, wie sie sich in einer Männerdomäne behaupten möchten.
Die Wahrnehmung muss korrigiert werden
Der unterschiedliche Stellenwert, den die verschiedenen Geschlechter in der Gesellschaft haben, zeigt sich auch an der Bezahlung. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge werden sogenannte systemrelevante Berufe in Deutschland, in denen oft Frauen zu finden sind, Beispiel Altenpflegerin, generell schlechter bezahlt. In vielen Berufen erhalten Frauen weniger Gehalt, obwohl sie dieselbe Tätigkeit ausüben, wie ihre männlichen Kollegen. Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht dazu im Februar ein Grundsatzurteil gefällt, und gab einer Frau Recht, die dagegen geklagt hatte.
Insgesamt erfordern Gleichstellung und Fachkräftemangel in Deutschland eine ganzheitliche Strategie von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um langfristige Lösungen für dieses Problem zu finden. Und auch, wenn Entscheidungen zu den Themen Familie und Beruf für Frauen und Männer individuell getroffen werden, sollte niemand durch das System benachteiligt werden. Wenn die Strukturen und das Miteinander auf allen Ebenen für alle gleich sind, hat das viele Vorteile für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Weniger Fachkräftemangel, weniger Steuerausgaben für staatliche Ergänzungsleistungen, mehr Eigenverantwortung und mehr Gestaltungsspielraum für Familien.
MK