Kryptowährungen scheinen Fluch und Segen zugleich zu sein – manche haben damit ein Vermögen verdient, andere haben viel verloren. Doch die Währung ist noch vergleichsweise jung. Jürgen Wechsler, Gründer von »Forex Freiheit« zieht Parallelen zur dot.com-Ära und erklärt in unserem Interview, warum Kryptowährungen und Sachwerte Hand in Hand eine gute Investment-Strategie sein können.
Kryptowährungen sind volatil, damit riskant und selten die erste Wahl in einer Krise. Warum sehen Sie das anders?
Kryptowährungen bieten Geldwertmobilität und sind unabhängig von Banken. Viele Milliardäre flüchten in Kryptowährungen, weil sie ihr Vermögen vor Krisen wie der ausufernden Geldwertvernichtung durch Staaten und Notenbanken und der herbeigeführten hohen Inflation schützen wollen. Stichwort Corona-Pandemie und Ukraine-Konflikt: Der Bitcoin hatte sich schneller wieder erholt als klassische Anlageklassen und dazu auch schneller neue Höchststände in 2020 erreicht. Durch eine optimale Beimischung von Kryptowährungen kann das Rendite-Risikoprofil von klassischen Portfolien deutlich verbessert werden, wie beispielsweise Auswertungen des Schweizer Vermögensverwalters »Vision&« ergeben haben. In Krisenzeiten werden gute Krisenwerte häufig erst verkauft und dann von starken Händen als Fluchtpunkt gesucht. Und starke Kryptowährungen werden in Zukunft aufgrund der Kombination von Liquidität und Rarität in Krisen immer gefragter.
Sie schätzen Kryptowährungen, weil sie unabhängig von der Inflation sind. Andere sehen gerade in dieser Unabhängigkeit von realen Werten das Problem der Willkürlichkeit. Wie handelt man mit einem so unberechenbaren Wert?
Wer den Wert nicht kennt, kann sich nur am Preis orientieren, so geht es vielen Anlegern. Auch ein Computercode hat einen Wert, den andere Anlageklassen und auch Zentralbankgeld häufig gar nicht bieten können: Transparenz (Open Source), Netzwerksicherheit, Nachvollziehbarkeit, Berechenbarkeit, international nutzbar, weltweit akzeptiert, bei Tag und Nacht in andere Werte umtauschbar, häufig nicht beliebig vermehrbar, Unabhängigkeit von Staaten und Notenbanken, eine berechenbare Knappheit – eben ein digitaler Rohstoff.
Auch eine Koppelung an Wertgegenstände ist möglich, das macht die Kryptowährung handelbar und steigert den Wert von Sachwerten und Sammlergegenständen sogar noch. Mit der Fraktionalisierung von Sachwerten kann man den Gesamtwert erhöhen und sie ermöglicht einen leichteren Wertetransfer zu geringeren Kosten. Kryptowährungen können also Hand in Hand mit Sachwerten gehen. Das ist den meisten Investoren unbekannt, da die allgemeine Presse ein einseitiges und verzerrtes Bild von digitalen Vermögenswerten zeigt.
Und auch Gold in Tresoren kann damit einfach länderübergreifend verwendet werden. Reale Werte sind oft Sammlerwerte. Geht das Interesse oder der wahrgenommene Nutzwert verloren, sinkt der Preis. Rarität ist ein wesentlicher Faktor für eine Preisbildung, auch bei den sogenannten Sachwerten. In Krisenzeiten schlägt jedoch Liquidität erst mal die Rarität. Mit Kryptowährungen kann der Anleger Rarität und Liquidität perfekt miteinander verknüpfen.
Gerade erst Anfang Mai sind die Kryptomärkte abgestürzt. Wie erklären Sie sich das und welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft?
Viele Kryptowährungen haben sich dabei besser gehalten als viele Nasdaq-Technologieaktien. Die Risikoanpassung von Portfolien im Zuge der US-Zinserhöhungen hat dabei auch die Kryptowährungen erwischt. Dazu kamen noch Probleme bei einzelnen Projekten im Kryptomarkt. Diese Tiefen sind jedoch immer noch höher als viele Hochpunkte in der Vergangenheit. Von daher sind die Tiefen auch schon gut bekannt. Der Markt schafft sich eine gesunde Aufschwungbasis für die Zukunft. Die Marktinfrastruktur wird von großen Banken, führenden Investmentunternehmen und Zahlungsdienstleistern wie Mastercard, Visa und PayPal stetig ausgebaut und als eigene Anlageklasse auch im institutionellen Anlagegeschäft benutzt.
Große Anbieter kaufen die in Panik von Privatanlegern auf den Markt geworfenen Kryptobestände auf: Sie wechseln von den schwachen Händen in die starken, langfristig orientierten Hände. Dabei wird der Kryptomarkt erwachsen und wandelt sich vom reinen Spekulations- hin zum Investmentmarkt, ähnlich wie früher die Internetaktien.
Viele Milliardäre haben Bitcoins zur Absicherung gegen die starke Geldentwertung mit den ausufernden Inflationszahlen gekauft – teilweise für bis zu 50 Prozent ihres Vermögens. Das sollte uns aufhorchen lassen, denn sie scheinen einen sicheren Hafen in dieser Systematik zu sehen. Diese Investoren haben nicht umsonst Milliarden-Vermögen und sind ihrer Zeit meist voraus.
Wie unterscheidet sich der Währungshandel mit Kryptowährungen von jenem mit Fiat-Währungen?
Zum einen sind es die Schwankungen: Kryptos sind grundsätzlich volatiler als Fiat-Währungen. Sie bewegen sich ähnlich wie Aktien, von daher sind sie Geschäftskonzepte, die Cash-Flow erzeugen sollen oder dabei unterstützen. Tun sie dies nicht, sinken sie im Preis, genau wie Aktien. Während der Handel bei Fiat-Währungen mit Hebel normal ist, ist er im Kryptohandel zumeist der Tod vieler Konten. Bei den vorhandenen Schwankungen ist der Hebel auch nicht unbedingt notwendig, um außergewöhnliche Anlageergebnisse zu erzielen. Ein gutes Risikomanagement und weniger Gier schaffen in diesen Märkten Vermögen.
Zudem ist der Forex-Markt (Handel mit Fiat-Währungen) mit einem durchschnittlichen Handelsvolumen von mehr als 6.000 Milliarden US-Dollar (Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) der größte und liquideste Markt der Welt. Die Umsätze im Kryptomarkt sind in den vergangenen Jahren angestiegen, aber mit täglichen Umsätzen von circa 100 Millionen US-Dollar noch weit hinter den Werten des Währungshandels mit Fiat-Währungen.
Ein weiterer Punkt: Der Fiat-Währungsmarkt ist Montag bis Freitag rund um die Uhr geöffnet. Die Kryptowährungen sind dagegen 24/7 handelbar und liefern damit maximale Verfügbarkeit. Dabei haben beide komplett unterschiedliche Zahlungs- und Überweisungssysteme. Beim Kryptohandel sind keine Zwischenhändler, Makler und andere Institutionen beteiligt. Die Kryptobörsen sind in der Mehrzahl noch unreguliert, auch weil sie nicht direkt in einem Land ansässig sind. Forex-Broker sind zumeist an bestimmte Länder gebunden und unterliegen den dortigen Regulierungsbehörden. Aber immer mehr Kryptobörsen lassen sich auch in den einzelnen Ländern regulieren.
Auch wenn es bei der Mehrzahl der weltweiten Währungen Handelsrestriktionen gibt, sie können also nur im jeweiligen Land umgetauscht werden, bieten Währungen aber insgesamt eine wesentlich höhere Geldwertmobilität als andere Anlageklassen wie Aktien, Fonds oder klassische physische Sachwerte. Dagegen zeigen sich die Kryptowährungen noch viel unabhängiger. Da diese nicht an Landesgrenzen gebunden sind, können Kryptos weltweit genutzt, überwiesen und eingesetzt werden. Es gibt dafür auch mittlerweile weltweit mehr als 30.000 Geldautomaten. Somit bieten Kryptowährungen mit der direkten Wertübertragungsmöglichkeit die höchste Geldwertmobilität aller Anlageklassen.
Welche Kryptowährungen empfehlen Sie und warum?
Bitcoin und Ethereum als Basisinvestments. Sie sind die Marktführer mit der breitesten Nutzungsbasis und einem gut getesteten Konzept: Bitcoin als anerkannter internationaler Wertspeicher, oft auch als digitales Gold bezeichnet, und Ethereum als quasi der App-Store der Kryptoökonomie und Grundlage vieler neuer Entwicklungen. Die meisten anderen Projekte werden häufig von Innovationen überholt. Daher ist es derzeit besser in vielen der angebotenen Kryptowährungen nur in einer bestimmten Aufschwungsphase investiert zu sein. Der Markt erinnert an die Situation des dot.com-Aufschwungs der Internetwerte am Aktienmarkt Ende der 90er Jahre. Es existieren nur noch wenige Technologieunternehmen von damals. Diese wurden von neueren innovativeren Unternehmen und Konzepten abgelöst. Aber große Plattformunternehmen wie Amazon und Google existieren heute noch.