Stefan Vahldieck plädiert für eine fundierte finanzielle Grundbildung für alle
Die Deutschen und ihre Finanzbildung. Es ist keine Liebesgeschichte. Warum ist das heute immer noch so?
Wir sind da sehr, sehr engstirnig in dem Thema. Es ist für die allermeisten nach wie vor ein Riesenproblem, offen über Geld zu sprechen. Alte Denkmuster wie „Über Geld spricht man nicht“ oder „Geld verdirbt den Charakter“ sind tief in unseren Köpfen gefestigt und von Generation zu Generation dort eingepflanzt worden. Hinzu kommt auch der Neidfaktor, den Gesprächspartner häufig entwickeln, wenn man über Geld spricht. Um dieses zu vermeiden druckst man herum und windet sich wie ein Aal, wenn es um die persönlichen Finanzen geht. Mit dem Banker wird offen über Zahlen gesprochen, weil der sie ja auch sieht. Mit anderen Mitmenschen ist das Thema wirklich, wirklich schwer. Wer mag schon gerne zugeben, dass man nicht mit Geld umgehen kann? Wer mag gerne zugeben, dass man Schulden hat? Keiner. Scham spielt hier eine große Rolle.
Wie sieht es bei der jungen Generation aus? Sind die interessierter?
Ich habe eher das Gefühl, dass die jüngste Generation das noch viel weniger interessiert und vieles einfach egal ist. Was soll schon passieren, wird man eben Hartzer. Aber das kann doch nicht der Anspruch einer Generation sein! Wenn ich Seminare mit jungen Auszubildenden habe, schaue ich oft in leere Augen… die Leben im Heute, was morgen ist, interessiert nicht. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem diese Generation das Sagen haben wird. Unser Bildungssystem predigt eine längst vergangene Kultur: Gehe fleißig in die Schule, dann bekommst Du einen guten Job und kannst bis zur Rente in diesem Job beim gleichen Unternehmen bleiben. Dann machst du Dir ein schönes Leben. Jedoch ist das vorbei. Kaum jemand bleibt heute im gleichen Job. Kaum jemand kann sich mit der staatlichen Rente ein schönes Leben leisten.
Was sind die ersten Schritte für einen Neuling im Finanzjungle?
Die meisten lernen den Umgang mit Geld von ihren Eltern – und die sind oftmals keine guten Vorbilder. Daher empfehle ich, sich ein neutrales Grundwissen zuzulegen. Leider ist dies mit Mühe und Zeit verbunden, auch etwas was die jüngste Generation ungern hergeben möchte. Diese Investition in Mühe und Zeit ist jedoch für das ganze Leben prägend. Warum nicht also ein paar Stunden opfern, um für den Rest des Lebens gewappnet zu sein. Natürlich ist es nicht mit dem Grundwissen allein getan – aber vielen ist damit schon einmal geholfen. Finanzielle Weiterbildung sollte regelmäßig auf dem Programm stehen. Leider ist es kein Schulfach – dann würden viele Menschen weniger Probleme mit Geld bekommen.
Gibt es eine Faustregel, in welchem Lebensabschnitt man sich um welche Themen kümmern sollte?
Zunächst sollte man sich von vornherein angewöhnen, sobald man Geld verdient, 10% seines Einkommens nicht anzutasten und beiseite zu legen, um es nachhaltig zu investieren. Je früher man mit seiner Finanzplanung beginnt, desto günstiger und risikoärmer können Assets gestaltet werden. Fange ich viel später an, muss man mehr Geld in größere Risiken investieren. Ich sehe es übrigens als nicht klug an, für „das Alter“ zu sparen, sondern man sollte jederzeit entsprechend liquide sein. Es macht Sinn, im Lebensabschnitt ohne Verantwortung für eine Familie, Erfahrung mit Aktieninvestments zu sammeln, so dass eine eventuelle Kursschwankung keinem wehtut, der vom Anleger abhängig ist. Als Familienverantwortlicher sehe ich Immobilien als perfektes Investitionsobjekt und wenn die Kinder aus dem Haus sind, kann man über Unternehmensbeteiligungen oder Crowdfunding Projekte in Start-ups nachdenken.
Welche Assetklassen sind wann und in welcher Gewichtung empfehlenswert?
Das ist meiner Meinung nach sehr individuell und mit jedem Anleger anders zu planen. Grundsätzlich gilt, was ich gerade gesagt habe. Je früher in anfange, desto weniger und risikoärmer kann ich investieren. Bei seinen Investments sollte man auf eine ausgewogene Mischung achten. Ich bin Freund vom 20-30-40-10 Prinzip: Die Vermögensverteilung sollte 20 % in Rohstoffe oder Edelmetalle, 30 % in einem Mischverhältnis aus Renten- und Währungsfonds, 40 % in direkten Unternehmensbeteiligungen oder Aktienpaketen und 10 % in alternative Anlagen wie Crowdfunding in das möglicherweise nächste Google betragen. Wenn man es dann noch schafft, mit fremdem Geld Immobilien zu kaufen, welche von fremden Leuten refinanziert werden, liegt man schon ganz richtig. So eine Strategie bedarf aber Pflege und Wissen – oder einen Profi, der einem das abnimmt. Diese Verteilung kann man sowohl in jungen Jahren als auch im hohen Alter fahren– zugegeben wird es im hohen Alter mit dem fremden Geld für Immobilien langsam schwierig, aber im Idealfall haben im hohen Alter die fremden Leute die Immobilie abbezahlt – und man darf das Geld der fremden Leute die einem Miete zahlen behalten. Im Gegensatz zu Privatanlegern müssen sich Unternehmen viel stärker mit dem Thema beschäftigen.
Wie sieht dort der Trend aus?
Unternehmen sind viel eher bereit, Berater zu Rate zu ziehen und diese auch vernünftig zu bezahlen – was den meisten Privatanlegern völlig fremd ist. Durch diese Berater sind Unternehmen gut aufgestellt und können sich dem Alltagsgeschäft widmen – Umsatz generieren. Leider sehen Privatanleger diese Notwendigkeit noch nicht. Die Investitionsstrategien von Unternehmen unterscheidet sich eigentlich – langfristig gesehen – nicht großartig vom Privatanleger.
Bei welchen Themen gibt es besonders Nachholbedarf?
In einer grundlegenden Finanzbildung, die sich durch die komplette Gesellschaft zieht. Wenn Menschen ständig verleitet werden, Konsumschulden aufzubauen und die Finanzwirtschaft davon profitiert, kann das auf Dauer für unsere Gesamtwirtschaft nicht hilfreich sein. Wir bewegen uns da in einem Hamsterrad, aus dem es irgendwann kein Entrinnen mehr gibt und das System hat so einen unmündigen und stets auf Hilfe angewiesenen Bürger. Wahrscheinlich ist das so gewollt, sonst würde man ja etwas dagegen unternehmen. Insbesondere rechtliche Themen, wie Haftung bei Betriebsrenten, werden oft übersehen.
Was kann im schlimmsten Fall passieren?
Dass der Arbeitnehmer am Ende seines Arbeitslebens schön blöd dasteht und weiter, bis ans Lebensende arbeiten MUSS oder zum Sozialamt geht. Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersvorsorge zu bieten. Ob es die Arbeitnehmer nutzen ist dann ihnen überlassen. Es gibt so viele tolle Optionen, vernünftig Geld zu sparen, über die die meisten Menschen gar nichts wissen – weil es ihnen aber auch nicht gesagt wird. Und wenn einer etwas drüber erzählen will, hören die meisten weg – langweiliges und trockenes Thema. Über Geld redet man ja nicht gerne.
Was ist der wichtigste Finanztipp von Ihnen als Experte?
Wöchentlich 20 Minuten in die eigene Finanzbildung investieren. Regelmäßige Beiträge zum Thema lesen, Videos schauen und eine fundierte Grundbildung aufbauen und danach konstant und stetig wachsen. In diesen 20 Minuten kann man es schaffen, dass man permanent Übersicht über seine Finanzen hat, stetig dazulernt und dass man Lösungen findet, wenn etwas nicht rundläuft.
Autor:
Bildquelle: Sascha Miesterek, Michaela Meurer
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