Seit 2008 werden binäre Optionen als Anlagemöglichkeit von Brokern angeboten und seither sind zahlreiche neue Anbieter in den Markt eingestiegen. Das Teilgebiet der „all-or-nothing-options“, wie binäre Optionen auch bezeichnet werden, hat in den letzten Jahren ein großes Wachstum erlebt und erreicht auch dank aggressivem Marketing immer mehr Menschen. Aufgrund des hohen Verlustpotentials, das beim Handel mit diesen hochspekulativen Finanzderivaten auftritt, wird dieses Produkt von vielen als Glücksspiel angesehen. Inwieweit dies zutrifft und Wissenswertes über binäre Optionen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Der Handelsablauf bei binären Optionen
Im Gegensatz zu Aktien, bei denen mit dem Basiswert gehandelt wird, kann man mittels binärer Optionen auf die Kursentwicklung eines Finanzproduktes „wetten“. Wie der Name schon andeutet hat der Anleger bei binären Optionen zwei Möglichkeiten, die Kursentwicklung zu bestimmen. Die Auswahl der Finanzprodukte, auf die man die binären Optionen abschließen kann, deckt dabei beinahe die gesamten Assets von Aktien über Rohstoffe und Edelmetalle bis hin zu Indizes etc. ab.
Die einfachste Form der binären Optionen stellt die Call-/Put-Variante dar: Geht man als Anleger von einem steigenden Kurs aus, kauft man eine Call-Option. Rechnet man dagegen mit fallenden Kursen, kauft man eine Put-Option. Die Laufzeit der Optionen ist wählbar und wird grundsätzlich in drei Kategorien eingeteilt:
- Kurzfristig: 30, 60, 90, 120, 180 und 300 Sekunden
- Mittelfristig: 10 bis 60 Minuten oder bis zum Ende des (Handels-)Tages
- Langfristig: mehrere Wochen oder Monate
Liegt man nach Ablauf der binären Option mit seiner Vorhersage richtig, winkt eine hohe Rendite, andernfalls ist das eingesetzte Geld verloren. Einige Broker bieten allerdings auch eine Verlustabsicherung an, bei der man durchschnittlich etwa 10 – 15 % seines Einsatzes im Verlustfall zurückerstattet bekommt. Dies wirkt sich jedoch negativ auf die Auszahlung im Erfolgsfall aus.
Die Höhe der Rendite ist ebenfalls abhängig vom gewählten Broker und liegt meist im Bereich von 70 – 90 %. Broker mit Verlustabsicherung bewegen sich hier im unteren Bereich, während Broker ohne Absicherung ihren Kunden das höhere Risiko im Erfolgsfall entsprechend höher vergüten.
Online-Trading beeinflusst die Gestaltung des Marktes
Der Einstieg in die Welt der Finanzderivate gestaltet sich für die Kunden einfacher denn je. Mittels der zeitverlustfreien Übertragung von Trades über das Internet lässt sich der Handel schnell über Online-Broker vom PC aus durchführen. Mittlerweile bieten zahlreiche Broker und Banken ihre Dienste auch mittels einer App an, so dass auch immer mehr Prozesse über das Smartphone abgewickelt werden. Neben dem Vorteil für den Anleger, unterwegs und jederzeit handeln zu können, ergibt sich für den Broker daraus natürlich der Vorteil, dass deutlich mehr Trades pro Tag durchgeführt werden als früher.
Hierin liegt wahrscheinlich auch der Grund für das aggressive Marketing der Branche. Die Broker verdienen nämlich durch das Abwickeln von Trades ihr Geld. Bei anderen Finanzprodukten wie Aktien oder dem Währungshandel (Forex-Trading) geschieht dies durch einen geringen Aufschlag auf den Kaufpreis. Bei binären Optionen hingegen fungiert der Broker als „Gegenspieler“ zum Trader. Das bedeutet, der Broker macht Gewinn, wenn der Trader verliert und umgekehrt.
Neben der Tatsache, dass binäre Optionen aufgrund der (möglichen) kurzfristigen Laufzeit deutlich häufiger gehandelt werden als z.B. Aktien, ist der Gewinn eines Brokers bei einem Fehlschlag des Anlegers bei binären Optionen ungleich höher als bei anderen Finanzprodukten.
Der Hang zum Glücksspiel
Die Nähe zum Glücksspiel wird allein schon dadurch geknüpft, dass man mittels binärer Optionen auf einen Kursanstieg oder -fall „wettet“. Aber sind nun binäre Optionen tatsächlich mit einem Glücksspiel im klassischen Sinne gleichzusetzen? In Deutschland wird das Glücksspiel durch den Glücksspielstaatsvertag geregelt. In § 3 Abs. 1 des GlüStv heißt es:
„Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind Glücksspiele.“
Juristisch gesehen lassen sich hier Unterschiede zwischen Glücksspiel und binären Optionen erkennen. Aber es gibt auch Parallelen. Denn der Ausgang einer Option, ob sie im Geld platziert wird, hängt von einem Eintritt zukünftiger Ereignisse ab. Diese zukünftigen Ereignisse hängen allerdings nicht vom Zufall ab, da die Kurse nicht gewürfelt werden, sondern den Gesetzen des Marktes unterliegen.
Betrachten wir zum Beispiel die Entwicklung von Aktienkursen, wird klar, dass diese durch Angebot und Nachfrage beeinflusst werden. Die Indikatoren werden durch die Erwartungen der Marktteilnehmer, also Broker und Anleger, beeinflusst. Gibt es mehr Interessenten bzw. Käufer als Verkäufer, besteht ein Nachfrageüberschuss und der Aktienkurs steigt. Umgekehrt haben wir es mit einem Angebotsüberschuss zu tun, woraufhin der Kurs fällt.
Angebot und Nachfrage werden ihrerseits durch die Berichterstattung und die Entwicklung der Unternehmen beeinflusst. Dazu zählen Kennzahlen wie die Gewinnentwicklung, der Auftragsbestand oder die Veröffentlichung von Bilanzen. Ebenfalls entscheidend für die Kurse ist die Verknüpfung mit konjunkturellen Trends. Geht es einer Volkswirtschaft schlecht, wirkt sich dies auch negativ auf die Kurse aus.
Der Verlauf der Kurse unterliegt zwar starken Schwankungen, nach oben wie auch nach unten, ist aber nicht vom Zufall abhängig, sondern vom Markt und dem ihm eigenen Indikatoren. Weiterführend sind hier auch noch die Zinsentwicklung, die Arbeitslosenquote und das Wechselkursniveau zu nennen, die ebenfalls einen Einfluss auf das Marktgeschehen haben. Daher ist es nur folgerichtig, dass die aktuelle Rechtsprechung binäre Optionen als Termingeschäfte und nicht als Glücksspiel definiert.
Die psychische Komponente
Betrachtet man den Handel von binären Optionen hingegen ähnlich wie ein Geschicklichkeitsspiel, ergeben sich durch die menschliche Psyche weitere problematische Faktoren. Da eine binäre Option nur zwei Möglichkeiten des Ausgangs hat, wird sie von vielen als 50-50-Wette angesehen. Folgt der Anleger nun einer auf Wahrscheinlichkeiten ausgelegten Strategie, ist der Verlust quasi vorprogrammiert.
Menschen nehmen Wahrscheinlichkeiten nämlich grundsätzlich verzerrt wahr. Die Prospect-Theorie bietet hier einen interessanten Ansatz:
Menschen sind Gewinnen gegenüber eher risikoscheu und Verlusten gegenüber risikofreudig eingestellt. Das führt wiederum dazu, dass Verluste deutlich stärker empfunden werden als Gewinne.
Beim Glücksspiel hat dies ebenfalls Auswirkungen: Zuvor eingetroffene Ereignisse werden repräsentativ eingeschätzt, was logisch betrachtet falsch ist. Beim Lottospiel z.B. gehen viele davon aus, dass langfristig gesehen alle Zahlenkombinationen gezogen werden müssten und sich das Tippen der gleichen Zahlenfolge irgendwann auszahlt. Allerdings steht jede Ziehung der Gewinnzahlen als alleiniges Zufallsprodukt und ist unabhängig von vorherigen Ziehungen. Daher ist das Anwenden von auf Wahrscheinlichkeiten basierenden Strategien beim Lotto, Roulette o.Ä. unzweckmäßig.
Gleiches gilt natürlich auch für den Handel mit Finanzprodukten, also auch für binäre Optionen. Nur weil die vermeintliche 50%-Chance nicht eingetroffen ist, heißt dies nicht, dass im nächsten Intervall dieses Ereignis mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eintritt. Denn die Kurse unterliegen immer noch den Marktbedingungen.
Ein weiteres Problem beim Glücksspiel ist die fehlerhafte Einschätzung der Geschicklichkeit bzw. des eigenen Könnens. Eine Einflussnahme des Spielers, sei sie nun tatsächlich gegeben oder nur vom Spieler angenommen, auf die Gewinnchance, erhöht psychisch betrachtet den Reiz des Spiels. Das führt natürlich unweigerlich zu längerem Verharren bei diesem Spiel.
Spieler, die dem Glücksspiel eine (zu) hohe Geschicklichkeitskomponente beimessen, glauben, durch ihr Wissen einen Vorteil erzielen zu können. Somit wird das Glücksspiel vom Spieler als ein Geschicklichkeitsspiel klassifiziert. Das zeigt sich z.B. bei Spielern an Spielautomaten. Exzessive Spieler gehen meist davon aus, dass der Erfolg hauptsächlich von der eigenen Geschicklichkeit abhängt. Diese Kontrollillusion kann zu hohen Verlusten und zur Spielsucht führen.
Diese Gefahren sind auch beim Handel mit binären Optionen in abgewandelter Form vorhanden. Allerdings lässt sich durch die nötige „Geschicklichkeit“ in Form von Wissen über das Marktgeschehen und Wirtschaftsabläufe ein eindeutiger Vorteil erzielen, der nichts mit Wahrscheinlichkeiten, sondern wirtschaftlichen Indikatoren zu tun hat.
Fazit
Diese Betrachtung zeigt, dass Parallelen zum Glücksspiel bei binären Optionen durchaus vorhanden sind. Allerdings ließe sich dies abgeschwächt auch für andere Finanzprodukte sagen. Der Kursverlauf, über den sich der Ausgang der binären Optionen definiert, ist allerdings nicht vom Zufall abhängig, auch wenn starke Schwankungen am Finanzmarkt nicht ungewöhnlich sind.
Verfügt man über ausreichend Wissen, lässt sich auch mit dieser Anlageform Geld verdienen, was vor allem in Zeiten von historisch niedrigen Zinsen attraktiv wirkt. Allerdings ist ein Risikomanagement beim Handel mit den hochspekulativen Finanzprodukten zwingend erforderlich.
Diese Faktoren zeigen, dass binäre Optionen vom Glücksspiel abzugrenzen sind. Dass sie allerdings aggressiv beworben werden und das Marketing auch Einzug in Fußballstadien gefunden hat, zeigt, welche Klientel damit angesprochen werden soll: risikofreudige Glücksspieler, die ihr Geld sonst in Sportwetten zu vermehren versuchen.
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