Von Uwe Fraust |
Kommt der Brexit?
Menschen in ganz Europa werden die Nacht vom 23. auf den 24. Juni vor dem Fernseher oder Laptop verbringen, um auf eine historische Entscheidung zu warten: Großbritannien stimmt über den Verbleib in der Europäischen Union ab – und das Rennen zwischen Gegnern und Befürwortern ist völlig offen. Doch an der Börse scheint das Ergebnis bereits festzustehen: Nach dramatischen Kursverlusten in der vergangenen Woche hat sich der DAX inzwischen erholt, die Angst vor einem „Brexit“ ist vergangen.
Dennoch dürften viele Börsianer am Morgen des 24. Juni kein Auge zugetan haben – denn es gibt keinen Grund zur Gelassenheit. Seit Wochen rennen die Briten in Scharen zu den Goldhändlern und kaufen alles, was Gold enthält. Der Londoner Goldhändler Sharps Pixley spricht von einer dreimal höheren Nachfrage seit Jahresbeginn. Der World Gold Council hat errechnet, dass die Nachfrage nach Gold auf der Insel im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 61 Prozent angestiegen ist.
Die Bürger setzen offenbar auf Sicherheit, um ihr Erspartes zu schützen. Denn sie haben in den vergangenen Monaten bereits empfindliche Wertverluste hinnehmen müssen – das britische Pfund hat im vergangenen Jahr etwa 10 Prozent an Wert eingebüßt, bei einem Brexit könnte ein Absturz um weitere 20 Prozent folgen. Die Inflation würde dann bei etwa fünf Prozent liegen – und Gold wäre als Inflationsschutz noch stärker gefragt als bisher.
Obwohl sich in den vergangenen Tagen viele prominente Briten zur EU bekannt haben – es gibt gute Gründe für einen „Brexit“: Großbritannien ist Nettozahler in der EU und hätte nach einem Austritt mehr Geld in der Kasse. Zudem fühlt sich das stolze Land von der EU gegängelt und will insbesondere bei der Zuwanderung sowie dem Schutz der eigenen Grenzen selbst entscheiden. Die Brexit-Befürworter erwarten, dass sich der EU-Austritt positiv auf die Wirtschaft auswirken werde.
Auch am vermeintlichen „Independence Day“ (so hat die britische Boulevardzeitung „Sun“ den Tag der Abstimmung getauft) herrscht an den Finanzmärkten große Unsicherheit. Bis zuletzt lagen beide Kampagnen für und gegen einen „Brexit“ in Umfragen gleichauf. Rückenwind bekamen die Gegner eines EU-Austritts zuletzt durch einen tödlichen Angriff eines Brexit-Befürworters auf eine britische Parlamentarierin. Der schlimme Zwischenfall zeigt, wie emotional die Frage um einen EU-Austritt der Briten bereits geführt wird.
Es bestehen aber deutliche Zweifel, ob der feige Mord an der „Brexit“-Gegnerin die Stimmung im Land gedreht hat – die Briten warten seit Jahrzehnten auf ihre Chance, über den Verbleib in der EU abzustimmen. Nach dem ersten britischen Europa-Referendum im Jahr 1975 und dem zweiten Anlauf im Jahr 2016 dürfte es kein „drittes Mal“ geben – und diesen Umstand dürften viele unentschlossene Wähler bei ihrem Votum berücksichtigen.
Der Kurs könnte steigen!
Der Goldpreis hat von der Unsicherheit um Großbritannien zuletzt profitiert und sich von seinem Rutsch auf knapp über 1.200 US-Dollar erholt. Die Marke von 1.300 US-Dollar ist bislang noch eine starke Hürde, sodass der Goldpreis aktuell wieder leicht zurück gesetzt hat. Die Experten der Societe Generale (SocGen) erwarten, dass Gold im Falle eines Brexits auf einen Schlag um etwa 10 Prozent auf 1400 US-Dollar steigt. Da ein Scheitern der Abstimmung in die Börsenkurse und den Goldpreis bereits eingepreist ist, dürfte es also am Freitag nicht zu einem größeren Kursrutsch kommen. Und wenn der Brexit-Spuk vorbei ist, stehen neue Unsicherheiten bevor – beispielsweise bei der Zinswende der Fed oder den US-Präsidentschaftswahlen.
Auch bei Emporium ist in den vergangenen Wochen eine sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Gold und Silber zu beobachten – die Mitarbeiter des Handelshauses stellen sich auf besonders viele Bestellungen am „Brexit“-Tag ein, denn viele Anleger wollen ihr Geld in letzter Minute gegen bevorstehende Marktturbulenzen absichern. Für zusätzliche Sicherheit sorgt die chart-technische Situation beim Gold, denn das gelbe Metall befindet sich im Aufwärtstrend und ist nach unten gut abgesichert. Die nächste Hürde bei 1.300 US-Dollar wurde in der Vergangenheit mehrfach angegriffen und bröckelt – die Chancen stehen also gut, dass das erfolgreiche Edelmetall-Jahr 2016 weitergeht. Und die aktuellen Marktkommentare machen deutlich: Die aktuellen Kurse bei Gold- und Silber sind Einstiegskurse.
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