Thorsten Polleit |
Die wichtigsten Entscheidungen, die der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) auf seiner heutigen Sitzung getroffen hat, sind die Folgenden:
(1) Die Zinsen wurden gesenkt. – Die EZB hat den Leitzins auf 0 % gesenkt (bisher 0,05 %), den Einlagenzins für die Banken auf –0,4 % (bisher –0,3 %) und den Spitzenrefinanzierungszins auf 0,25 % (bisher 0,3 %).
(2) Die Geldmenge wird ausgeweitet. – Ab April wird die EZB pro Monat Anleihen in Höhe von 80 Mrd. Euro (bisher 60 Mrd. Euro) Anleihe aufkaufen (darunter fortan auch „gute“ Unternehmensanleihen), und sie wird die Käufe weiterhin mit „aus dem Nichts“ geschaffenen Euro bezahlen.
(3) Die Banken erhalten Kredite mit Negativzinsen. – Die EZB bietet ab Juni den Banken vier neue Kreditprogramme („TLTRO II“) mit jeweils vier Jahren Laufzeit an. Diese Kredite könnten einen Zins tragen, der so niedrig sein kann wie der Einlagenzins (und der beträgt derzeit –0,4 %)!
[Die heutige Entscheidung wurde übrigens getroffen ohne die Beteiligung des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, der „turnusmäßig“ auf dieser Sitzung kein Stimmrecht hatte.]
Beurteilung
Die EZB unter ihrem Präsidenten Mario Draghi macht ihre Drohung wahr, die sie bereits im Juli 2012 ausgesprochen hat: Sie erhält den Euro, was immer es auch kosten mag (für die Sparer). Sie hält Euro-Banken und -Staaten mit immer mehr neu geschaffenem Geld zahlungsfähig.
Das wird vor allem angesichts der Problemlage der Euro-Banken noch eine ganz gewaltige Ausweitung der Euro-Geldmenge zur Folge haben – und die Kaufkraft des Euro schädigen.
Mit den neuen Krediten, die die EZB den Banken verabreichen will, ersetzt sie mehr und mehr die Kapitalmarktfinanzierung der Euro-Banken. Die „Auslesefunktion“ des Marktes im Bankensektor wird dadurch de facto aufgehoben; schlechte Banken werden dadurch künstlich am Leben gehalten.
Weil die EZB den Banken bald Kredite zu Minuszinsen verabreichen wird, ist insbesondere mit Folgendem zu rechnen:
(1) Es wird zu einer breit angelegten Monetisierung von Schulden durch die Geschäftsbanken kommen, durch die die Euro-Geldmenge noch weiter ansteigt; und
(2) der Euro wird zu einer „Carry-Trade“-Währung. Investoren haben größere Anreize denn je, sich in Euro zu verschulden und sie im Ausland anzulegen. Der Euro-Außenwert, insbesondere gegenüber dem US-Dollar, könnte unter diesen Bedingungen durchaus noch Rekordtiefstände erreichen.
Der Politikkurs der EZB zielt darauf ab, die Inflation in die Höhe zu treiben. Das wird auch gelingen. Denn als Geldmonopolist kann die EZB die Geldmenge beliebig ausweiten, und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis die Preise auf breiter Front ansteigen.
Doch das Vermehren der Geldmenge schafft keinen Wohlstand. (Wäre das so, gäbe es keine Armut mehr auf der Welt! Denn das heutige ungedeckte Geld lässt sich ja jederzeit in jeder beliebigen Menge produzieren und in Umlauf bringen!) Es führt lediglich zu einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen, durch die einige besser gestellt werden auf Kosten anderer.
Es sorgt dafür, dass die Güterpreise höher ausfallen (im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet wird), und das ist zweifellos nicht im Interesse der Euro-Bürger. Eine steigende Geldmenge oder höhere Inflation haben keine positiven Wohlfahrtseffekte.
Gold
Anleger im Euroraum müssen umdenken – auch wenn EZB-Präsident Mario Draghi verkündet hat, der EZB-Rat sähe keinen Bedarf für weitere Zinssenkungen (also etwa auf eine weitere Absenkung des EZB-Einlagenzinses).
Angesichts weiter fallender Euro-Zinsen und sogar negativer Realzinsen im Euroraum sollten Anleger überdenken, ob sie nicht (Teile ihrer) Bankguthaben und Schuldpapieren gegen zum Beispiel Aktien tauschen wollen.
Zudem sollten sie – vor allem mit Blick auf die liquiden Vermögensbestände – ein „Euro-Klumpenrisiko“ vermeiden. Dazu bietet es sich zum Beispiel an, US-Dollar oder Schweizer Franken zu halten anstelle des Euro.
Vor allem aber sollten Anleger im Euroraum auch Gold in ihrem Portfolio halten. Gold ist das „ultimative Zahlungsmittel“: Es ist eine Versicherung gegen die interne und externe Kaufkraftentwertung des Euro, ist eine Versicherung mit Preissteigerungspotential.
Unsere Einschätzung ist, dass das Gold nach wie vor nicht „zu teuer“ ist, und dass die internationale finanzielle und wirtschaftliche Risikolage einen weitergehenden Goldpreisanstieg recht wahrscheinlich macht.
Bild: Moerschi_pixabay