Gutachterin Dr. Heide Rezepa-Zabel über die Besonderheiten des Marktes
Aktuell interessieren sich immer mehr Anleger für Sachwerte. Kunstobjekte können das Portfolio dabei sinnvoll ergänzen. Der Kunstmarkt unterliegt jedoch anderen Maßstäben bei der Wertermittlung als zum Beispiel Gold, Edelsteine oder Immobilien. Zudem ist er vergleichsweise volatiler. Die Auswahl geeigneter Anlageobjekte ist nicht also ganz einfach. Ohne Marktkenntnisse geht es nicht, meint Dr. Heide Rezepa-Zabel. In unserem Interview erklärt die Kunsthistorikerin und unabhängige Gutachterin, wie man sich dem Kunstmarkt nähern kann und was für die Rendite entscheidend ist.
Frau Dr. Rezepa-Zabel, Sachwerte stehen derzeit hoch im Kurs und damit auch Kunst als Anlageobjekt. Wie kommt ein Kunstwerk zu seinem Wert?
Sowohl in der bildenden als auch in der angewandten Kunst bestimmen zahlreiche Faktoren den Wert eines Kunstwerkes. An erster Stelle stehen in den meisten Fällen der Name des Künstlers oder einer Marke, seine Bekanntheit und Anerkennung in der Kunstwelt, im öffentlichen Diskurs von Ausstellungsmachern und Kunstkritikern oder in der Kunstgeschichte. Name und Marke sind die vorrangigen Reizworte, nach denen Kunst gesucht und angeboten wird. Ebenso wichtig sind aber auch das Thema, das Motiv, die Bedeutung im Werk des Künstlers, der Kontext, die Datierung, das Medium, die Technik, das Format, beziehungsweise die Größe und das Gewicht, der hohe Wiedererkennungswert und Alleinstellungsmerkmale sowie natürlich der Zustand. Dabei gilt nicht unbedingt »Je größer und schwerer, desto teurer«, sondern auch die Qualität, sowohl inhaltlich als auch technisch, ist das Maß der Zeit.
Wertsteigernd wirken sich Bestätigungen durch ausgewiesene Experten und Expertinnen, Angaben zur Provenienz, eine Ausstellungs- und Verkaufshistorie aus. Eine hohe Popularität des Vorbesitzers und ein erster Wiederverkauf, die sogenannte Marktfrische, werden sehr geschätzt. Last but not least ist es die wirtschaftliche Situation des Kunstmarktes selbst, die Schwankungen unterliegt und Investitionen in Kunst als attraktives Investment erscheinen lässt. Auch soziale und kulturelle Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Die Interessen, Vorlieben und subjektiven Wahrnehmungen von Kunstsammlern ändern sich im Laufe der Zeit. Insgesamt ist der Wert eines Kunstwerks immer eine individuelle Momentaufnahme und unterliegt einer hohen Volatilität. Diesen Umstand können sich Sammler, Händler und Institutionen zunutze machen.
Beispiel zeitgenössische Künstler: Wie kann man verhindern, aufs falsche Pferd zu setzen oder einen Hype überzubewerten?
Vor allem nicht unter Druck kaufen! Eine sorgfältige Recherche und eine rationale Herangehensweise helfen, einen Hype von einem nachhaltigen Interesse zu unterscheiden. Zunächst gilt es, Auktions- und Galerieergebnisse ähnlicher Werke sowie Zustandsberichte und Echtheitszertifikate zu prüfen und zu verstehen, wie der Preis eines Kunstwerkes im Laufe der Zeit gestiegen oder gefallen ist und welche Faktoren diese Veränderungen beeinflusst haben. Neben der Überprüfung aller wertrelevanten Faktoren empfehle ich, unabhängige Expertenmeinungen einzuholen. Wissen ist alles!
Dass zum Beispiel Gold nicht ohne Weiteres an Wert verliert, scheint sicher zu sein. Wie ist die Wertentwicklung bei Kunstwerken?
Ja, Gold hat historisch den Ruf, ein relativ stabiles Wertaufbewahrungsmittel zu sein, und es hat bewiesen, dass es seinen Wert über lange Zeiträume halten kann. Als solches ist Gold international anerkannt und nur begrenzt verfügbar. Im Gegensatz dazu stehen die Menge und Vielfalt der künstlerischen Produktion. Kunstwerke sind keine homogenen Vermögenswerte; nur relativ wenige, wie die sogenannten »Blue Chips«, sind international anerkannt. Im Gegensatz dazu stehen die trendabhängigen, risikoreichen »Mode Cards« und »Wild Cards«. Großes Potenzial haben die sehr schwer greifbaren, sogenannten »Insider Cards«, die allerdings nicht für jedermann zugänglich sind.
Wie kann man sich vor einem Totalverlust schützen?
Es ist sinnvoll, sich vor dem Kauf ein Budget zu setzen, sich daran zu halten und sich nicht von der momentanen Euphorie oder von Trends dazu verleiten zu lassen, mehr auszugeben, als man sich leisten kann oder will. Ebenso wichtig ist es aber auch, nicht den Profit über den Genuss zu stellen. Kunst verliert nie an Wert, solange sie Freude bereitet und eine persönliche Bedeutung hat. Im Frühjahr ist ein Werk von Gerhard Richter für fast 21 Millionen Euro versteigert worden. Wie kommen solche Summen zustande? Was bewegt Käufer, so viel Geld in ein Kunstwerk zu investieren? Es ist ein Werk, das alle Mainstream-Faktoren des Kunstmarktes erfüllt. Über die Gründe für den Zuschlag am oberen Ende der Schätzung von 15 bis 21 Millionen Euro kann ich nur spekulieren. Es mag sein, dass reine Freude den Ausschlag für diesen hohen Preis gegeben hat, aber 20,9 Millionen Euro haben auch eine Wirkung auf das Kunstpublikum: Sie machen das Werk zweifellos zu einem ikonischen Kunstwerk, das seinen Bekanntheitsgrad noch weiter gesteigert hat.
Bei dem Wunsch, Rendite zu erzielen, geht es ja darum, günstig einzukaufen. Welchen Tipp haben Sie? Wie kann man etwa frühzeitig erkennen, wie sich ein Künstler entwickelt?
Um das Potenzial eines jungen Künstlers frühzeitig zu erkennen, bedarf es neben einer guten Intuition einer möglichst umfassenden Recherche. Auch ein Atelierbesuch und ein persönliches Kennenlernen sind aufschlussreich. Voraussetzung für das eigene Urteilsvermögen sind auch hier ein allgemeines Marktverständnis, Kenntnisse des künstlerischen Umfelds, am besten Insiderwissen. Je mehr man zusammentragen kann, desto eher lassen sich besondere Talente und Kunstwerke erkennen.
Der Kunstmarkt hat oft mit Fälschungen zu kämpfen, manchmal sind diese Fälschungen leider sehr gut. Worauf können Anleger dennoch achten?
Gezielte Fälschungen, Verfälschungen, aber auch Nachahmungen, Mariagen und Umarbeitungen sind überall im Umlauf. Manches ist sehr geschickt gemacht und relativ schwer zu erkennen. Auch hier sollten die zu prüfenden Faktoren der Wertermittlung greifen. Nicht nur im Zweifelsfall sind Provenienznachweise, Echtheitszertifikate, Expertenmeinungen, materialtechnische Untersuchungen und Vergleiche mit authentischen Werken einzuholen.
Welche Kosten müssen bei einem Investment in Kunst einkalkuliert werden?
Neben dem Kaufpreis eines Kunstwerkes sind je nach Art der Investition eine Vielzahl von Kosten zu berücksichtigen. Zu kalkulieren sind Auktions- oder Vermittlungsgebühren, Transportkosten, Zölle, Steuern, sichere Lagerung, Klimakontrolle, spezielle Kunstversicherungen, Wartung und Restaurierung, Forschungs-, Gutachter- und Archivierungskosten. Wenn das Kunstwerk in der Zukunft wieder verkauft werden soll, müssen auch die Kosten für den Wiederverkauf berücksichtigt werden, einschließlich eventueller Provisionen für Auktionshäuser oder Galerien.
Dr. Heide Rezepa-Zabel ist Kunsthistorikerin und Gutachterin. Als Expertin ist sie regelmäßig in der TV-Sendung »Bares für Rares« zu sehen.
Das Interview mit Dr. Heide Rezepa-Zabel und weitere spannende Themen lesen Sie im Sachwert Magazin ePaper Ausgabe 130 -> Link