Star-Investor Frank Thelen über die nächste Generation der Tech-Branche
Der Hype um Unternehmen im Silicon Valley ist lange vorbei, die Tech-Branche hat ihren vermeintlichen Anleger-Zauber verloren. Aber angesichts der Innovationen, die in diesem Bereich in zweiter Generation bereits angestoßen wurden, lohnt sich ein Blick auf etwas unkonventionellere Strategien. Star-Investor Frank Thelen erklärt in unserem Interview, wie er die Branche einschätzt und warum Volatilität nicht immer ein Ausschlusskriterium fürs Portfolio sein muss.
Herr Thelen, die Tech-Branche hatte es zuletzt weltweit nicht leicht. Die Medien leiteten sogleich den Abgesang ein. Das »ZDF« fragte gar: »Ist das Silicon Valley am Ende?« Was denken Sie, wenn Sie so etwas lesen?
Ich denke, vielen Medien ist eine Clickbait-Headline oftmals wichtiger als eine sachliche und ausgewogene Berichterstattung. Und natürlich werden gerne die eigenen Narrative bedient. Schaut man aufs Silicon Valley, sitzt dort ein Großteil der weltweit wertvollsten Tech-Unternehmen. Und, anders als bei unserer Autoindustrie, schlafen die Unternehmen dort nicht – sie sind die führenden Treiber in der Entwicklung neuer Technologien, zum Beispiel Google, Nvidia, Alphabet und Adobe im Bereich Künstliche Intelligenz oder Apple mit seiner Apple Vision Pro im Bereich Augmented Reality. Im Silicon Valley entsteht gerade die nächste Generation an Produkten, die unser Leben verändern werden. Schaut man auf die fundamentalen Entwicklungen dieser Unternehmen und die R&D-Erfolge der letzten Monate, ist wirklich noch lange kein Ende in Sicht. Der Tech Sell Off war maßgeblich von makroökonomischen Faktoren getrieben. Die Kurse der Großen haben sich mit Aufkommen des KI-Booms seit Anfang des Jahres deutlich erholt, die kleineren und mittleren Tech-Unternehmen werden bisher noch ignoriert. Umso mehr gilt es jetzt, die wahren Innovationstreiber und technologisch führenden Unternehmen aus der zweiten Reihe zu identifizieren, um von zukünftiger Technologie zu profitieren. Für uns sind das ideale Voraussetzungen, um zu zeigen, dass unser 10xDNA-Team mit dem tiefgreifenden Research bessere Performance liefern kann als der Markt.
Die Tech-Branche ist sehr abhängig von Fremdfinanzierung – meist auf lange Zeit. Sehen Sie da mögliche Veränderungen?
Ja, das Geld wird »teurer«, beziehungsweise: Bonds sind jetzt wieder interessant. Auf der anderen Seite wird aber auch die Entwicklung und Wertschaffung von herausragenden Technologie-Unternehmen immer schneller. Der Wettbewerb um Kapital wird also stärker, was am Ende zu besseren Ergebnissen führt und zu weniger verrückten Finanzierungen von »gelangweilten Affen« und Metaverse-Fantasien. Sie investieren selbst seit jeher in neue Technologien. Sind gerade gute Zeiten, dies zu tun? Es gab selten so attraktive Bewertungen im Markt. Es ist schon verrückt, wie bei den kleineren und mittleren Unternehmen pauschal abverkauft wird. Die Erholung der letzten Monate hat sich fast ausschließlich auf die großen Tech-Werte konzentriert. Ich bin voll investiert – mit Fokus auf kleinere Tech-Unternehmen. Natürlich wird dies volatil bleiben, aber mit einem Horizont von fünf bis sieben Jahren sollten sich die Unternehmen mit herausragenden Teams und Technologien sehr attraktiv entwickeln.
Hat sich Ihr Verhalten verändert, seitdem Sie den 10xDNA-Fonds gegründet haben? Das Korsett ist ein anderes, wenn man Gelder von unbedarften Anlegern investiert.
Die Idee hinter 10xDNA war es, eine Art Family Office zu gründen, um mein eigenes Kapital langfristig mit hohen Renditen zu verwalten. Hierfür wollte ich mir ein Netzwerk aus Experten aufbauen, das Technologien und Produkte wirklich tiefgreifend analysiert. Gerade bei kleineren Tech-Werten gibt es so gut wie kein Research der größeren Häuser mehr. Ich selbst habe über zehn Millionen Euro in unsere Strategie investiert, das Team ist ebenfalls umfangreich investiert und dann haben wir beschlossen, die Strategie auch für Privatanleger zugänglich zu machen. Hierbei war von Anfang an klar, dass es bei den 10xDNA-Fonds zu erhöhter Volatilität kommen kann. Das haben wir auch immer klar kommuniziert. Es handelt sich um ein spitzes Produkt, einen Tech-Baustein, der maximal fünf Prozent in einem diversifizierten Portfolio ausmachen sollte. Bei mir ist das natürlich anders, aber ich kenne unsere Strategie ja auch am besten!
Der Fonds hat gut performt in letzter Zeit. Profitieren Sie davon, dass Sie in viele Unternehmen günstig einsteigen konnten?
Das kommt darauf an, auf welchen Zeitraum man schaut. Wir sind kurz vorm Tech Sell Off an den Start gegangen, was sich nach wie vor in unserer Gesamtperformance zeigt. Anleger, die Anfang des Jahres in unsere Fonds investiert haben oder unsere Fonds besparen, dürften aktuell sicherlich zufrieden sein. Da wir einen Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren haben, ist es jedoch noch zu früh, ein Urteil über die Performance zu fällen. Die Zukunft ist besonders von der Hochtechnologie abhängig. KI wird viele Prozesse um das Tausendfache effizienter machen. Wenn Sie die derzeitige Phase mit einer aus der Weltgeschichte vergleichen müssten, welche wäre es? KI ist eine neue Dimension von »Disruption«. Keiner kann vorhersagen, wie die nächsten 24 Monate aussehen. Es könnte jetzt auch ein bis zwei Dekaden wieder langsam weitergehen oder wir stehen kurz vor der Singularität: Dann entwickelt sich die KI selbst weiter. Das Problem: Es gibt keine vergleichbare Phase aus der Menschheitsgeschichte. KI ist eine neue Dimension und auch die Experten können nicht mal 24 Monate sicher vorhersagen. Europa muss also aufwachen und eine aktive Rolle in dieser Entwicklung spielen.
Unser Interviewpartner: Frank Thelen ist Unternehmer, Tech-Investor und Autor. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Teilnahme als Investor in der Vox-Sendung »Die Höhle der Löwen« bekannt.