Anlässlich eines Besuches einer EU-Kommission in der Bergbaustadt Kiruna verkündete der Geschäftsführer des staatlichen schwedischen Bergbauunternehmens die Entdeckung großer Mengen Seltener Erden. Diese Vorkommen sollen einen erheblichen Anteil daran haben, Europa aus der derzeitigen Rohstoffabhängigkeit von China zu lösen. Dieser Fund, so die schwedische Wirtschafts- und Energieministerin Ebba Busch, wird dazu beitragen, die Versorgungssicherheit der europäischen Wirtschaft zu gewährleisten und insbesondere den Ausbau der „grünen“ Industrie sowie der Technologien zu ermöglichen, die die Zukunft der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten bestimmen wird. Das hört sich vielversprechend an und lässt die europäische Industrie ein Stück weit aufatmen.
Vor dem Abbau stehen jahrelange Genehmigungsverfahren
Die euphorische Berichterstattung, die in den zurückliegenden Tagen die Stimmung zu dieser Meldung kennzeichnete, ist für das allgemeine Bewusstsein für dieses zentrale wirtschaftspolitische Thema sehr wichtig und zeigt, dass es in der Allgemeinheit angekommen ist. Das ist sowohl unter politischen als auch gesellschaftlichen Gesichtspunkten sehr wichtig und macht die Bedeutung des Themas der Versorgungssicherheit der europäischen Industrie zu einem zentralen Thema aller beteiligten Parteien.
Doch was bedeutet dieser Fund nun wirklich für den Rohstoffhandel, die Industrie und somit letztendlich für die Nutzer der Zukunftstechnologien, für die die Nutzung Seltener Erden die Grundlage bildet? Derzeit wissen wir nur, dass diese Vorkommen in Nordschweden existieren. Die Planung und Inbetriebnahme von Minen und Produktionsstätten für den Abbau Seltener Erden sieht einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren vor. Zwar bemüht man sich die langwierigen Genehmigungsverfahren für derartige Projekte auch von Seiten der Europäischen Union zu verkürzen, doch schaffen wir dadurch auch gleichzeitig den Weg für unregulierte Projekte, bei denen Themen wie Umweltschutz oder Wirtschaftlichkeit auf der Strecke bleiben.
Stillgelegte Minen bieten schnellere Alternativen
Fünfzehn Jahre bevor ein erstes Gramm einer Seltenen Erde in Industriequalität die Minen und Produktionsstätten in Nordschweden verlassen wird und die Nachfrage am Markt bedienen kann! Das ist ein sehr langer Zeitraum, den es durch zusätzliche Anstrengungen zur Schaffung der Versorgungssicherheit der europäischen Industrie zu füllen gilt. Bereits heute gibt es auch außerhalb Chinas Bestrebungen, den Abbau und die Produktion Seltener Erden aufzunehmen und damit eine Alternative zu den chinesischen Vorkommen zu bieten. So werden zum Beispiel in Australien und Südafrika ehemalige Minen wieder in Betrieb genommen, die zu einer Zeit, als Seltene Erden in der technologischen Entwicklung noch keine Rolle spielten, aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurden. Aus diesen Projekten können bereits in etwa fünf Jahren, also deutlich früher, als das aus den nun entdeckten Vorkommen in Nordschweden der Fall ist, erste Chargen in den Markt gebracht werden. Und auch die derzeit noch stark vom Krieg mit Russland gebeutelte Ukraine bereitet sich vor, ihre Vorkommen an Seltenen Erden nutzbar zu machen.
Die Entdeckung der schwedischen Vorkommen ist sicherlich ein wichtiger Bestandteil der langfristigen Strategie der Europäischen Union, Versorgungsabhängigkeiten von China zu reduzieren und die Versorgungssicherheit der europäischen Industrie zu gewährleisten. So bedeutsam die Nachricht auch ist, sie wird jedoch in dem vor uns liegenden Jahrzehnt keine signifikante Entspannung im Markt für Seltenen Erden mit sich bringen. Der Markt bleibt auch weiterhin geprägt von einer hohen, noch weiter steigenden Nachfrage sowie begrenzten Produktionsmengen, die das Preisgefüge für Seltene Erden auch künftig hoch halten werden. Vor diesem Hintergrund ist es heute um so wichtiger alle bestehenden Lieferketten zu nutzen, um die europäischen Lager jetzt zu füllen.
Andreas Kroll
Über den Autor: Andreas Kroll ist Finanzmarktanalyst und Experte für Technologiemetalle. Seit 2008 ist er auf dem Markt der kritischen Rohstoffe aktiv, 2014 gründete er das Unternehmen Noble Elements GmbH, einen der führenden Händler mit Technologiemetallen und Seltenen Erden, in Berlin.