Finanzwirt und geschäftsführender Gesellschafter der SOLON-Unternehmensgruppe Ralf Niehoff spricht im Interview über die Chancen, die Sachwerte in Zeiten von Inflation und steigenden Zinsen bieten.
Herr Niehoff, die hohe Inflation macht Sachwerte wieder besonders interessant. Welche Assets sind derzeit die Gewinner?
Anlagen in Sachwerten waren mittel- bis langfristig schon immer die interessanteren. Momentan gibt es jedoch tatsächlich keine Alternative zu Sachwertanlagen, denn die derzeitigen Zinsen in Kombination mit der aktuellen Inflation vernichten das Geld des Sparers, also sollte jeder Sparer zum Anleger avancieren. Ich denke, dass gerade jetzt, wo die Zinsen wieder leicht steigen und Kredite somit teurer werden, es die Value-Werte sind, die davon nicht so stark belastet sind und eher performen können. Denn kleine und mittlere Unternehmen erzielen ihr Wachstum oft noch aus Fremdkapital. Wenn die Beschaffung aber teurer wird, dann wirkt sich das letztlich auf die Gewinne und damit auch auf die Aktienkurse dieser Unternehmen aus.
Wie gewichten Sie die Werte im Portfolio derzeit?
Auch wenn Rohstoffe momentan eher gefallen sind, so denke ich, dass diese gerade jetzt in keinem Portfolio fehlen sollten. Auch Technologiewerte sind momentan wieder viel günstiger zu bekommen, als das noch vor sechs Monaten der Fall gewesen ist. Wenn Sie also Rohstoff- und Technologiewerte großer Unternehmen übergewichten und dann noch darauf achten, dass diese eher bereits auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind – denn das ist der Trend derzeit – dann können Sie aus meiner Sicht momentan nicht so viel falsch machen. Hier sehe ich momentan eher den amerikanischen Markt vorn als den europäischen. Die Europäer haben mit dem Krieg in der Ukraine und den daraus resultierenden Sorgen um Engpässe in der Energieversorgung gerade ganz andere Herausforderungen. Davon dürften die Amerikaner, aber selbstverständlich auch die Asiaten profitieren.
Sehen wir in den kommenden Jahren weiter steigende Zinsen? Welches Niveau ist zu erwarten?
Es geht gar nicht anders, will man den Euro nicht komplett an die Wand fahren. Das alles wird jedoch langsam passieren müssen; der Zeitpunkt, um Zinsen zu erhöhen, könnte aus wirtschaftlicher Sicht ja nicht schlechter sein. Andererseits sind Zinserhöhungen notwendig, um die Inflation einzudämmen. Die EZB hat viel zu lange an dieser Nullzinspolitik festgehalten und wusste meiner Ansicht nach sehr genau, wozu dieses führen wird. Um die EU-Länder zu entschulden, hat sie billigend in Kauf genommen, dass durch die hohe Inflation der deutsche Sparer sein Geld schleichend verliert. Mehr als zwei Zinsschritte erwarte ich für dieses Jahr nicht. Das einzig Gute ist, dass die EZB das bereits angekündigt hat, das nimmt der Börse so ein bisschen die Panik, wenn es dann wirklich passiert.
Vorausgesetzt der Ukraine Krieg lässt sich kurzfristig beilegen – die Pandemie hält keine besonderen Virus-Überraschungen mehr für uns parat –, dann könnte die Wirtschaft vielleicht im ersten oder zweiten Quartal 2023 wieder Fahrt aufnehmen, was weitere Zinsschritte rechtfertigen würde. Jetzt aber vorauszusagen, wann welches Zinsniveau erreicht sein wird, dazu lasse ich mich nun wirklich nicht hinreißen. Die berühmte Glaskugel besitze auch ich nicht.
Welche Strategie hat sich über die letzten 20 Jahre gut bewährt?
Für den nicht allzu risikobereiten Anleger haben internationale Aktienfonds in den letzten 20 Jahren ca. 200 Prozent erwirtschaftet, was einer jährlichen Wertsteigerung von etwa 5,6 Prozent p.a. entspricht. Immobilien lagen im Durchschnitt bei ca. 4,1 Prozent. Das dürfte sich in nächster Zeit allerdings nach unten korrigieren, denn der Immobilienmarkt war durch die niedrigen Finanzierungskosten einfach überhitzt. Für den Anleger, der mutiger war, weil er vielleicht mehr diversifizieren konnte, für den war es mit Technologiewerten tatsächlich möglich, durchschnittlich über 8,5 Prozent p.a. zu erzielen. Hierbei sollte ich fairerweise erwähnen, dass die meiste Rendite davon innerhalb der letzten 10 Jahre erwirtschaftet worden ist, denn nach dem großen Technologie-Crash im Jahr 2000 waren Technologiewerte lange Zeit in Verruf geraten.