Investor Mark Mobius erklärt im Interview mit dem Sachwert Magazin, warum er die derzeitige Inflation falsch beurteilt sieht.
Ihr neues Buch hast du über Inflation geschrieben. Verstehen die Leute Inflation vielleicht nicht richtig?
Ganz sicher sogar. Nicht mal die Zentralbanken verstehen Inflation. Einer der Gründe, warum ich das Buch geschrieben habe ist, dass mir klar geworden ist, dass hier über Inflation im großen und wichtigen Umfang gesprochen wird. Die Zentralbanken spielen mit Zinsen und Geldreserven herum, alles auf Inflation basierend. Und dann schauen wir uns die Inflation genauer an, als Messlatte der Verschuldung, und stellen fest, das ist lächerlich, weil sie sich täglich verändert. Das Maß ist einfach falsch, zum Beispiel, wie in den meisten Ländern Schulden gemessen werden ist, dass man einen Basket mit alltäglichen Waren nimmt, wie sie von den Leuten gewöhnlich genutzt werden. Aber dieser Basket verändert sich alle fünf oder zehn Jahre. Sie machen eine Studie und kommen auf einen anderen Basket. Also werden hier Äpfel mit Orangen verglichen. Wie willst du so den Basket von beispielsweise 1900 mit dem Basket von 2010 vergleichen? Das ist das erste große Problem.
Das nächste Frage ist: Ist jeder gleich? Und die nächste Frage ist: Erzählen dir die Leute wirklich, was sie tun? Wie wirken sich Jobs auf diesen Basket aus? Wie passt Sex in diesen Basket? Sie spekulieren, sie zocken, sie spielen – dieser Faktor mag in manchen Fällen bis zu 20 Prozent, in manchen Fällen vielleicht 100 Prozent des Gehalts mancher Menschen ausmachen. Was ich damit grundsätzlich sagen möchte: die Zahlen, nach denen die Inflation bemessen wird, sind falsch.
Der zweite Punkt, den ich unterstreichen möchte, ist, dass Einkommen nicht gleichgeblieben, sondern über die Jahrzehnte gestiegen sind. Wir haben also die Situation, dass zwar die Verschuldungen gestiegen sind, die Einkommen sind aber noch mehr gestiegen. Um es auf den Punkt zu bringen: Was ist also die Bedeutung der Verschuldung, wenn sie keine Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat?
Ist es für Investoren wichtig, ihre Entscheidungen zu begründen?
Ja, sogar sehr wichtig! Die Leute müssen den nächsten sehr wichtigen Punkt verstehen: Über die Jahre ist die Produktivität gestiegen. Klar könnte man sagen, dieser Basket sei gleichgeblieben, aber sind die Lebensverhältnisse um 1900 die gleichen wie im Jahr 2018? Die Qualität hat sich drastisch erhöht. Einige Messungen haben versucht, diesen Faktor zu erfassen, aber das hat sich als unmöglich erwiesen. Es ist wichtig, dass die Leute sich vergegenwärtigen, wie sehr sich die Lebensumstände der Menschen über das Jahrhundert verbessert haben. Darüber sollten die Leute dankbar sein und zugeben, dass es eigentlich eine Deflation gibt, keine Inflation.
Wir sind also in einer Deflationsära?
Definitiv! Und das wird von den Risiken verdeutlicht, die sie eingehen. Übrigens, eine andere Sache, die ich im Buch behandle, ist dass die Wirtschaft in der Annahme ist, man müsste zwei Prozent Inflation haben, um Wachstum zu bekommen, sonst ginge man Pleite. Warum zwei Prozent?
Wo kommt diese Zahl her?
Irgendwer hat sie in den Raum gestellt und jetzt ist sie wie in Stein gemeißelt. Um also zwei Prozent Inflation zu erreichen, musst du aufstocken. Und wie macht man das? Man druckt Geld. Aber es bringt sie nicht weiter, die Risiken werden mitwachsen. Die Japanische Zentralbank hält inzwischen zehn bis 15 Prozent der gesamten Aktienpakete – es ist verrückt. Ja, sie kaufen Aktien, sie kaufen ETFs.
Also muss das Ganze neu überdacht werden. Ich möchte klarmachen, dass Deflation keine schlechte Sache ist. Sie deutet darauf hin, dass die Produktivität steigt und damit über die Jahre die Lebensqualität.
Sie sind ein Langzeitinvestor. Wie sehr müssen Sie das tägliche Mediengeschehen verfolgen?
Denen schenke ich viel Aufmerksamkeit, weil sie uns über die Neuigkeiten aus den Unternehmen, in die wir investiert sind, auf dem Laufenden halten. Die kannst du nicht alle selber zusammentragen, das ist unmöglich, da muss man sich auf die Medien verlassen. Deshalb habe ich großen Respekt vor Journalismus und Journalisten insbesondere, denn ohne sie würden wir eine Menge verlieren. Von ihnen bekommen wir die Informationen, die wir brauchen, um gute Entscheidungen zu fällen.
Beispielsweise hat kürzlich der Geschäftsführer eines Unternehmens in unserem Besitz Aufsichtsratssitze verkauft. Darüber wurde in den Medien berichtet und ist für uns eine sehr wichtige Information.
Das beeinflusst also ihre Entscheidung?
In großem Umfang, ja. Ein Insiderverkauf, was das bedeutet! Und überhaupt, was im gesamten Umfeld an Geschichten passiert, hat große Einfluss darauf, wie die Auswirkungen ausfallen.
Über die letzten 30 Jahre haben Sie für Templeton gearbeitet. Jetzt haben Sie eine eigene Investmentfirma. Sind Sie jetzt freier in ihrem Handeln und sehen Sie sich als Konkurrenz zu Templeton?
Nein, das ist kein Problem, wir sind immer noch Freunde. Ich bin viel freier, deshalb konnte ich das Buch schreiben. Andernfalls hätte ich mir das nicht erlauben können. Wir sind von Templeton weggegangen, weil wir weg von der großen Organisation wollten. Wir wollten eine kleinere Organisation und uns ausschließlich auf aktives Investieren fokussieren. Und Führungsstil. Weil, genau jetzt sind ESG: environmental, social governance (umweltbewusste, soziale Führung) unsere Schlüsselwörter. Wir haben festgestellt, um die Umwelt und den sozialen Bereich zu fördern, braucht es gute Führung. Wir haben diesen Wechsel in unseren Unternehmen ausprobiert. Unsere Investmentunternehmen haben Independent Directors. Was machst du mit deinen Investor Relations? Führung.
Habt ihr immer noch die gleichen Ziel-Kunden oder sucht ihr viel größere Investoren?
Wir treten erstmal an Family Offices heran, weil die flexibler sind. Das Problem ist, wenn ich zu großen Institutionen wie früher gehe, ist das erste, was sie mich fragen, „Wieviel Erfahrung hast du?“ Ich sage, ich bin seit 30 Jahren Investor. Keine Ahnung, wieviel Erfahrung ihr in diesem Unternehmen habt. Sie sagen, „wir investieren in nichts, was weniger als drei Jahre auf dem Markt ist.“ Die nächste Frage ist dann: „Wir groß ist dein Fonds?“ Ich sage: „170 Millionen“ und sie sagen: „Unser Minimum-Investment liegt bei 200 Mio. Komm wieder, wenn du ein-zwei Milliarden hast.“ Das ist ein Problem. Also, die Familienunternehmen sind da kreativer.
Was sind die häufigsten Fehler, die große und kleine Klienten auf dem Markt machen?
Niemals zu diversifizieren. Zu viele der deutschen oder amerikanischen Klienten und auch andere machen den Fehler, nur im eigenen Land zu investieren. Wir haben eine Übersicht, die uns die am besten performenden Märkte der Welt über die letzten 20 Jahre zeigen. Kein Markt ist der Spitzenperformer über 20 Jahre hinweg. Und es gibt darunter nur zwei Länder mit dauerhafter Performance, aber auch nicht in aufeinanderfolgenden Jahren. Um die beste Performance zu bekommen, muss man global diversifiziert sein. Das ist der erste Fehler, den sie begehen.
Der zweite Fehler ist, dass sie nicht in schneller wachsende Bereiche gehen, wie die jungen Märkte. Sie nutzen den Effet der aufstrebenden Märkte. Das ist ein Fehler, denn die die jungen Märkte repräsentieren inzwischen 40 Prozent des Weltkapitals.
Welcher aufstrebende Markt hat zieht derzeit deine Aufmerksamkeit auf sich?
Indien.
Wie sieht es mit Afrika aus?
Ja, aber dann Südafrika und Kenia würde ich mir auch näher ansehen. Vielleicht auch Nigeria. Afrika ist die Zukunft, da habe ich keinen Zweifel. Das Problem sind die Devisenverkehrsbeschränkungen, denn wenn wir in einem Land investieren gehen, versichern wir uns, dass wir unser Geld auch wiederbekommen. Wenn es keinen Devisenverkehr gibt, kriegst du Probleme. Da muss man vorsichtig sein. Und noch einen Fehler machen die Leute: Sie holen sich Rat von ihren Freunden.
Und nicht aus ihrem Buch?
Es gibt ja nicht nur mich, aber sie sollten sich ihre Ratschläge von Leuten holen, mit denen sie nicht so eng verbunden sind.
Wie wichtig ist es für Sie als Investor, sich weiterzubilden?
Ich lerne andauernd. Wenn du Manager bist, musst du neugierig und bescheiden sind und neue Ideen akzeptieren. Das ist sehr wichtig! Gleichzeitig musst du dich auf Schlüsselbereiche fokussieren, wie Rentabilität, Wachstum, Nachhaltigkeit. Meinen Leuten sage ich, guckt her, ich möchte, dass ihr fünf Dinge beachtet. Erstens: Liquidität, Wenn du anfängst, dann handle mit mindestens einer Millionen Dollar am Tag. Wenn du nicht damit rauskommem kannst, dann bist du in Schwierigkeiten, dann weißt du nie, was passiert. Zweitens: Bilanzen. Du willst starke Bilanzen haben. Drittens: Zurückhaltung, Sind sie zurückhaltend? Denn Zurückhaltung ist ein Zeichen dafür, dass das Unternehmen solide ist. Viertens: Eine Aktienklasse. Da widerspreche ich vielen der Internet-Unternehmen, die mehr als eine Aktienklasse haben. Fünftens: Payback. Sechstens: Wachstum. Das sind die Schlüssel
Welchen Einfluss werden die AI in den nächsten 20 Jahren auf die globale Wirtschaft haben?
Ich glaube, dass es um AIs eine Menge Missverständnisse gibt. Die Leute glauben, das wäre etwas Neues. Es ist nicht neu. Es ist ein einfaches Beschleunigen der Entscheidungsprozesse. Durch die Innovationen in der Digitalisierung können Computer inzwischen immer schneller arbeiten. Wenn du jetzt den Computer mit deinen Algorithmen und Ideen fütterst, setzen sie das schneller um. Es wirkt wie mitdenken, aber das ist es nicht. Aber ja, es wird sehr wichtig sein.
Was denen Sie darüber, Gold in deinem Portfolio zu haben?
Ich finde Gold sehr wichtig. Ich empfehle den Leuten, mindestens zehn Prozent ihres Vermögens in Gold anzulegen. Versichere dich, dass du wirklich physisches Gold hast, nicht Goldaktien. Einfach deswegen, weil die Geldmengen in einem solchen Tempo anschwellen. Es geht ja nicht nur um die souveränen Geldmengen. Es geht um jede einzelne Währung. Auch Bitcoin und wie sie alle heißen, wachsen in rasantem Tempo.
Wie denken Sie über Kryptowährungen?
Krypto ist eine Sache des Glaubens. Wenn du dran glaubst, ist es real.
Genau wie alles Geld?
Nein, es ist eher so, dass die junge Generation zu realisieren beginnt: Hey, warte mal, was steckt eigentlich hinter dem US-Dollar? Was steckt hinter dem Euro? Es ist einfach nur eine Möglichkeit, etwas zu kaufen. Wenn ich das gleiche mit Bitcoin machen kann, warum nicht? Das ist inzwischen die Denkweise. Und Bitcoin kann errechnet werden, jeden Tag. Die Federal Reserve druckt Dollar. Ich persönlich würde nicht darin investieren, weil es kein gutes Tauschmittel ist. Aber würde ich etwas im Geheimen durchziehen wollte – nicht unbedingt illegal, aber geheim – dann würde ich Bitcoin dafür nutzen.
Bildquellen: privat, imago images /Xinhua, Cover: FBV
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