Prof. Dr. Thorsten Polleit |
Die Zentralbanken folgen dem Motto „Weiter so“. Wenn immer mehr Geld in Umlauf gebracht wird, bleibt der „große Crash“ aus. Vorerst.
Das Motto in den großen Zentralbanken rund um die Welt lautet: „Weiter so”. Sie wollen die Finanzmärkte vor dem Zusammenbruch bewahren und die Konjunkturen in Gang halten. Was immer dazu erforderlich ist, werden sie tun. Die Zentralbankräte wissen, wo sie ansetzen müssen: Die Kreditausfallsorgen müssen aus den Finanzmärkten vertrieben werden, und Inflationssorgen dürfen nicht aufkeimen. Ersteres ist ihnen gelungen, indem sie die Zinsen auf Rekordtiefstände geschleust haben. Zweiteres interessanterweise auch. Kaum jemand fürchtet, dass ihre Maßnahmen zu Inflation führen werden.
Auf den Finanzmärkten wird die Botschaft der Zentralbanken verstanden: So etwa wie 2008/2009 – eine drohende „Mega-Pleite“, einen „Credit Event“ für das Weltfinanzsystem – wird es nicht mehr geben. Die Zentralbanken werden, wenn es sein muss, die elektronische Notenpresse in großem Stile anwerfen, um mit neuem Kredit und Geld systemgefährdende Kreditausfälle aus der Welt zu schaffen. Als Monopolisten der Geldproduktion haben die Zentralbankräte nicht nur die Macht, sondern jetzt auch den Willen dazu. Und letztlich hängt alles am Kredit. Auch die Börsen. In der kurzen Frist erscheint der Verbund zwischen Kreditausweitung und Aktienkursen zwar recht „lose“ zu sein. In der langen Frist offenbart sich jedoch der positive Zusammenhang zwischen beiden Größen. Es ist eben die Ausweitung der Kredit- und der dadurch geschaffenen Geldmengen, die alle Preise, einschließlich der Aktienkurse, in die Höhe befördern. Doch wie lange kann das noch gutgehen? Oder besser: Wie lange ist zu befürchten, dass es so weitergeht?
Es hängt von den Geldnachfragern ab. Solange sie Vertrauen haben in das ungedeckte Fiat-Geld und es bereitwillig zu Transaktions- und Sparzwecken nachfragen, solange geht auch der „Boom“ weiter, und der „Bust“ kommt nicht zum Zuge. Bislang jedenfalls hält die Nachfrage nach Fiat-Geld recht gut Schritt mit dem Ausweiten der Fiat-Geldmenge. Dass sich das ganz plötzlich, quasi über Nacht, ändern könnte, ist zwar nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich. Denn dazu müsste nämlich die Nachfrage nach Fiat-Geld einbrechen; eine „Flucht aus dem Fiat-Geld“ müsste einsetzen. Bekanntlich ändern sich aber die Geldhaltungs- und Ersparnisgewohnheiten der Menschen nur recht langsam. Selbst nach den Erschütterungen von 2008/2009 ist von augenfälligen Veränderungen der Geldhaltung und Ersparnisbildung nichts zu sehen, zumindest nicht in den großen Volkswirtschaften der Welt. Wer aufmerksam bleibt, wird es mitbekommen, wenn die Geldnachfrage beginnt einzuknicken und Gefahr im Verzuge ist.
Bis dahin dürfte das Auf und Ab auf den Börsen weitergehen, mit immer stärkeren Amplituden. Der allseits gefürchtete „Crash“ à la 1929, der die Aktien ins Bodenlose fallen ließ, wird jedoch wohl noch auf sich warten lassen. Denn solange die Zentralbanken dafür sorgen, dass der volkswirtschaftliche Kreditmotor nicht ausfällt und der Geldzustrom nicht abreißt, werden Aktienkursrückschläge zeitlich begrenzt bleiben – wie in 2000/2001 und 2008/2009. Diese Einschätzung mag helfen, eine Börsenweisheit beherzt und erfolgreich in die Tat umsetzen zu können: „Sei furchtsam, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn anderen furchtsam sind.“
Von Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt Degussa Goldhandel