Von Uwe Fraust | Es ist mal wieder soweit: Die nächste Deadline im ewigen Schulden-Gezerre um Griechenland läuft aus. Doch anders als bei den früheren Ultimaten, die in letzter Sekunde um ein paar Monate verschoben wurden, könnte es inzwischen zu spät sein: Griechenland hat seine europäischen Partner durch eine verschärfte Krawall-Rhetorik verprellt, zuletzt wandte sich sogar der bisherige Griechen-Versteher Jean-Claude Juncker von seinem „Freund“ Alexis Tsipras ab. Es wird einsam um die Regierung in Athen, die keine weiteren „Hilfsgelder“ annehmen will und dafür auf einen Schuldenschnitt pocht.
Doch mit diesen Forderungen beißt die griechische Führung bei den internationalen Kreditgebern auf Granit. Am heutigen Donnerstag kommen die Euro-Finanzminister zusammen, um über Griechenland zu beraten. Fortschritte erwarten beide Seiten allerdings nicht – Griechenland weigert sich, neue Vorschläge zur Lösung seiner desolaten Finanzlage zu übermitteln. Die bisherigen Papiere, so war aus Verhandlungskreisen zu vernehmen, waren allesamt unvollständig und unplausibel: Es wurden zwar Zahlen genannt, jedoch keine konkreten Maßnahmen zum Erreichen dieser Zahlen. Das Spiel ist altbekannt – Griechenland mogelte sich einst mit fingierten Zahlen in die gemeinsame Währung.
Während der ganz große Knall auf der politischen Bühne noch auf sich warten lässt, wurden Anleger mit voller Breitseite von der griechischen Dauerkrise erwischt: Der Deutsche Aktienindex ist von seinem Hoch bei etwa 12.300 Punkten bis auf 10.800 Punkte herunter gerauscht und der charttechnisch wichtigen 200-Tage-Linie bedrohlich nahe gekommen. Jede weitere Eskalation in Brüssel könnte den DAX unter diese Marke treiben – und Marktbeobachter befürchten, dass auf diesem Niveau viele Stop-Loss-Orders platziert wurden, sodass der DAX dann ohne Verschnaufpause auf 10.500 oder gar 10.000 Punkte nach unten durchgereicht wird.
Investoren sind also auf der Flucht vor Aktien und steuern den vermeintlich „sicheren Hafen“ der Staatsanleihen an – hier setzt sich die Erholung der dramatisch niedrigen Zinsen fort. Es zeichnet sich eine Zeitenwende ab: Vom Nullzinsniveau im April 2015 sind die Renditen deutscher Bundesanleihen in der Spitze auf über 1,0 Prozent gestiegen. Und was auf den ersten Blick erfreulich wirkt, ist tatsächlich als Warnsignal zu verstehen: Der Zins deutet auch das Risiko des Investments an – und so verlieren deutsche Bundesanleihen derzeit ihren Nimbus als sichere Geldanlage. So hat beispielsweise Blackrock, mit 4,8 Billionen US-Dollar ein Schwergewicht unter den Anlagegesellschaften, die Einstufung deutscher Bonds als „sicheres Investment“ aufgehoben!
Unterm Strich verlieren deutsche Anleger also bereits vor einem Griechen-Crash: Wer auf Aktien vertraut hat und in den vergangenen Monaten eingestiegen ist, musste schmerzhaft erkennen, dass die Börse eben nicht nur den Weg nach oben kennt. Und die Trendwende bei den Staatsanleihen betrifft nicht nur Investoren, sondern auch ganz normale Bürger, die sich sonst von jeglichem Anlagerisiko fernhalten: Deutsche Staatsanleihen sind beispielsweise in Versicherungen oder Fonds enthalten.
Letztendlich wird bekanntermaßen der Steuerzahler belastet, wenn Staatspapiere nicht mehr als sicher gelten – denn dann muss der Staat mehr für seine Schulden bezahlen, was auf Dauer sicher nicht ohne Steuererhöhungen zu leisten ist. Nun steht den Deutschen auch noch ein „Grexit“ ins Haus – von den bisherigen Rettungskrediten im Umfang von ungefähr 280 Milliarden Euro an Rettungskrediten entfällt etwa ein Viertel auf Deutschland, also rund 70 Milliarden Euro. Dieses Geld wäre im schlimmsten Fall weg – und müsste ebenfalls durch höhere Steuereinnahmen ausgeglichen werden.
So ist es kaum verwunderlich, dass immer mehr Anleger nach Börsen-Schwäche und Anleihe-Crash zurück in den letzten „sicheren Hafen“ rudern und Gold kaufen. Der Goldpreis hat zuletzt nach dem jüngsten Zinsentscheid der Fed am Mittwochabend deutlich zugelegt, weiteren Rückenwind dürfte das gelbe Metall in den kommenden Tagen durch die Unsicherheit rund um Griechenland erhalten. Gold ist – trotz der leichten Schwäche auf Euro-Basis – der Anlagegewinner des Jahres 2015 und hat sich im ersten Halbjahr prächtig entwickelt.
Zurzeit rangiert das gelbe Metall um die 1.200-Dollar-Marke, bis zum 52-Wochen-Hoch bei 1.339 US-Dollar ist noch etwas Luft. Doch der Goldpreis war schon immer eine Fieberkurve der weltweiten Finanzmärkte – und wenn Griechenland in den kommenden Tagen seine finale Diagnose von IWF, EZB und der Europäischen Kommission erhält, dürfte sich der Goldpreis kräftig nach oben bewegen. Das Finale des Schuldgeldsystems rückt unaufhaltsam näher – wie von uns seit Jahren bekräftigt.
Der Autor Uwe Fraust ist Leiter des Anlagehandels
bei Emporium Hamburg
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