Zugegeben, der Silberpreischart ähnelt seit Jahresbeginn eher den Temperaturaufzeichnungen eines unablässig fiebernden Körpers als der Angebots-Nachfrage-Abbildung für ein in der modernen Industrie sehr begehrtes Edelmetall. Und diese hohe Schwankungsintensität – in Fachkreisen Volatilität genannt – versetzt auch so manchen Käufer von physischem Silber in zittrige Unruhe, welche die ständig wiederkehrende Frage provoziert, ob er jetzt vielleicht doch alles verkaufen sollte, um keine Verluste gegenüber dem Einkaufspreis hinnehmen zu müssen!
Öl auf dieses unruhig lodernde Gedankenfeuer wird zusätzlich gegossen, wenn in diversen Medien Aussagen wiedergekäut werden, Edelmetall wäre spekulativ. Dabei verweigern diese ewigen Zitterer auch dem Silber die Gültigkeit der Weisheiten vom legendären Börsenaltmeister und Buchautor André Kostolany zur Geduld beim Investieren. Zum Erwerb von Aktien lautete sein oft zitiertes Credo: „Kauft Standardwerte und ein Schlafmittel, um das Geschehen an der Börse auf Jahre zu vergessen, egal ob es draußen donnert und blitzt.“
Übrigens gilt bei Aktien erst ein Anlagehorizont oberhalb von 10 Jahren als lang. Legt man den zugrunde, so vermag Silber für die letzten 10 Jahre mit einer absoluten Euro-Performance von knapp 450 % oder sagenhaften 18,5 % jährlichen Preiszuwachs zu glänzen! Welche Assetklasse konnte und kann eine annähernd ähnliche Entwicklung bei zugleich minimalem Risiko aufweisen? Aber keine bange, 10 Jahre wird es sicherlich nicht dauern, bis der Silberpreis weiter signifikant angestiegen ist!
Warum sollte es also gerade für Silberinvestoren relevant sein, die Preisentwicklungen täglich oder gar stündlich zu beobachten oder zu bewerten? Warum darf ein Besitzer von physischem Edelmetall sein Investment nicht auf Jahre vergessen, egal wie das Börsenwetter ist? Sollte es also tatsächlich Edelmetallkäufer geben, deren einzige Motivation darin besteht, sozusagen auf „glänzende“ Art und Weise binnen kürzester Zeit reich zu werden?
Mag sein, jedoch befinden jene sich dann im „falschen Film“! Der Titel des Films zu Investitionen in Silber lautet nämlich nicht „Über Nacht reich!“, sondern „Vermögenssicherung in knappen Ressourcen“. Und wie knapp und begehrt gerade Silber ist zeigt schon die Tatsache, dass rund 70 % des Jahresangebotes in industrielle Anwendungen fließen, u. a. in Solaranlagen, Reflektoren, Plasmabildschirme, Wasseraufbereitungsanlagen, Lasertechnik, Spiegel, Glas und Emaille sowie in diverse Legierungen, wo seine Fast-Supraleiter-Qualitäten zur Geltung kommen.
Laut Angaben des Geologischen Instituts der USA (USGS) reichen die bekannten förderfähigen Reserven von Silber noch bis etwa 2020, und die geschätzten Ressourcen lediglich bis etwa 2035, wenn eine weitere Optimierung der Fördertechnik unterstellt wird. Dagegen wurden beispielsweise für Titan 130 Jahre an verfügbaren Reserven und sogar 400 Jahre an Ressourcen ermittelt. Bei Vanadium liegt die Reichweite gar bei 320 bis 1200 Jahren. In unserem marktwirtschaftlichen System gilt, dass alles teuer ist bzw. wird, was knapp und nicht beliebig vermehrbar ist. Die einzige „Zutat“, derer es dann noch bedarf, ist der Faktor Zeit!
Sie, sehr geehrter Leser, sollten sich nicht vom hektischen Tagesgeschehen und dem permanenten Starren auf und Interpretieren von Preischarts verunsichern lassen. Dazu hatte Kostolany eine klare und humoristische Einstellung: „Chartlesen ist eine Wissenschaft, die vergebens sucht, was Wissen schafft.“ Erinnern Sie sich auch an einen Werbespot aus den neunziger Jahren mit jenem André Kostolany, wo er in einem eleganten Audi-Oberklassewagen mit Leichtmetallkarosserie saß und die subtile Frage aufwarf: „Vielleicht sollten auch Sie einmal über Aluminium nachdenken…?“
In Abwandlung dieser Inspiration rufe ich Ihnen zu: Vielleicht sollten auch Sie einmal über Silber nachdenken?! Und sollten Sie dieses edle Metall bereits Ihr Eigen nennen, dann kaufen Sie konsequent nach! Schließlich sind die Vermögen sichernden Alternativen in diesen finanzpolitisch chaotischen Zeiten rar gesät. Und weil physisches Silber de facto ein unspektakuläres, regelrecht langweiliges Investment verkörpert, benötigen Sie nicht einmal Schlaftabletten…
Lutz Krause
Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist
Bild: Helga Schmadel pixlio.de