Gold gewinnt zunehmend an Bedeutung und ist viel mehr als nur ein Sachwert. Die Rolle des Edelmetalls wird immer politischer und seine Entwicklung ist ein Indikator dafür, dass sich hinter der weltpolitischen Kulisse einiges tut. Für Anleger wird es immer wichtiger, auf entsprechende Korrelationen zu achten und vorausschauend zu planen. Finanz- und Politikexperte Felix Schönherr zeichnet in unserem Interview ein düsteres Deutschland-Szenario, gibt Ausblicke auf die Weltpolitik und prognostiziert die Rolle, die Gold auf dieser Bühne spielen wird.
Herr Schönherr, wie sinnvoll ist es derzeit, in Gold zu investieren und wie viel Portfolio-Anteil sollte es haben?
Ein Investment in Gold ist nicht nur jetzt sinnvoll, sondern seit über 5.000 Jahren. Das Edelmetall hat sich für den Werterhalt bestens bewährt. In der Situation eines großen Umbruchs – sei es in politischer, wirtschaftlicher oder monetärer Hinsicht – spielt Gold natürlich seinen besonderen Vorteil als global anerkannte Krisenwährung aus. Wir befinden uns in einer solchen Situation. Mit einer Investition in Gold machen Sie also alles richtig.
Der Goldanteil Ihres Portfolios sollte in etwa zwischen 15 und 30 Prozent liegen. Da viele Indikatoren für einen steigenden Goldpreis in den kommenden Jahren sprechen, sollten Sie sich eher am oberen Rand orientieren. Unser Analyseteam hat sich die fundamentalen Daten und Preissignale angesehen. Wir halten es für wahrscheinlich, dass der Goldpreis in den kommenden zehn Jahren auf mehr als 10.000 Euro pro Feinunze steigen wird.
Doch so attraktiv die Kursentwicklung beim Gold zurzeit auch aussieht – Sie sollten Gold grundsätzlich eher als Krisenabsicherung und damit als Beimischung für Ihr Portfolio verstehen. Der größte Teil Ihres Portfolios sollte aus Aktien ausgewählter Qualitätsunternehmen bestehen. Denn Unternehmen, die ihren Markt dominieren, können in der Regel auch Krise. Manche profitieren sogar davon.
Gold ist auch Politik. Worauf sollten Anleger deshalb langfristig achten und inwieweit sind geopolitische Entwicklungen generell bei Investments einzubeziehen?
Wir befinden uns in einer fortgeschrittenen Phase des »Weltsystemcrashs«. Prof. Dr. Max Otte hat diesen Prozess der globalen Transformation bereits 2019 in seinem gleichnamigen Grundlagenwerk ausführlich beschrieben. Nachdem sich ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Globalisierung unter amerikanischer Führung vollzogen hatte, setzt jetzt als Gegenbewegung eine De-Globalisierung ein. Stellvertreterkonflikte zwischen den neuen globalen Blöcken sind bereits eskaliert – denken Sie an die Ukraine und den Nahen Osten – oder könnten dies bald noch tun. Die wirtschaftliche, militärische und politische Hegemonie des Westens geht dabei langsam, aber stetig zu Ende.
Nehmen wir das Beispiel Russland. Die USA und ihre Verbündeten haben das rohstoffreichste Land der Welt seit Februar 2020 weitgehend aus ihrem Wirtschafts- und Finanzsystem verbannt. Die politischen Entscheidungsträger haben dies voreilig als großen Sieg gefeiert. Wie wir heute wissen, war es reine Hybris. Putin ist keinesfalls international isoliert. Kürzlich fand ein Gipfeltreffen der BRICS-Staaten im russischen Kasan statt. Mehr als 30 Länder, darunter Indien und China, nahmen teil. Und beim Wirtschaftswachstum fällt Deutschland hinter Russland deutlich zurück – im Jahr 2023 waren es minus 0,3 Prozent versus 3,6 Prozent.
Wichtige Länder, die sich außerhalb des Einflussbereichs der USA befinden, arbeiten immer stärker zusammen. Sie verfolgen das Ziel, sich von der Dominanz des US-Dollar als globaler Reservewährung zu lösen. Die Zentralbanken vieler BRICS-Staaten stoßen deshalb US-Anleihen ab und bauen stattdessen strategische Goldreserven auf. Laut einer Umfrage des World Gold Council werden die meisten Zentralbanken diese Strategie in den nächsten fünf Jahren verfolgen. 2021 lagen die Ankäufe von Zentralbanken noch bei etwa 450 Tonnen Gold. In den beiden darauffolgenden Jahren waren es bereits jeweils über 1.000 Tonnen. Das zeigt eindrucksvoll, wie Gold zur globalen Reservewährung wird.
Die westlichen Staaten stehen hingegen vor einer Schuldenkrise von historischem Ausmaß. In den Wochen vor den Präsidentschaftswahlen machte die US-Regierung fast 500 Milliarden US-Dollar neue Schulden. In Deutschland ist die Ampelregierung an der Frage zerbrochen, ob die im Grundgesetz festgelegte Schuldenbremse noch beachtet werden soll. Ohne verfassungswidrige Neuverschuldung wäre der deutsche Staat nicht mehr zahlungsfähig. Zum Beispiel fehlen im Arbeitsministerium fast 10 Milliarden Euro, um das Bürgergeld im kommenden Jahr auszuzahlen. Trotz immer höherer Einnahmen durch Steuern sind die westlichen Staaten zahlungsunfähig, sofern sie keine weiteren Schuldenberge anhäufen. Langfristig wird dies zu Hyperinflation, Enteignung oder Währungsreformen führen.
Gold hat in diesem globalen Umfeld einen entscheidenden Vorteil. Es gehört zu den wenigen Anlageklassen, die sowohl im westlichen als auch im östlichen Block uneingeschränkt akzeptiert werden. Immobilien lassen sich logischerweise nicht zwischen Ländern transferieren. Auf russische Aktien – wie Gazprom – haben westliche Investoren seit 2020 den Zugriff verloren. Chinesische Aktien könnten aus ähnlichen politischen Gründen bald folgen. Gegen Bitcoin und andere Kryptowährungen hat China bereits weitreichende Restriktionen eingeführt. Um sich gegen diese Spaltung der globalen Finanzmärkte hinreichend abzusichern, sollten Sie unbedingt auf Gold setzen.
Manche schwören auf eine technische Chart-Analyse, andere auf Value-Investing, das ist sicher auch eine Typfrage. Wie stehen Sie dazu?
In unserem Haus halten wir wenig von der sogenannten technischen Chart-Analyse. Denn Kursentwicklungen haben nur eine sehr bedingte Vorhersagekraft. Die Muster in den Kursverläufen sind hochgradig interpretationsabhängig. Und nicht zuletzt sind Investmentideen aus technischen Chart-Analysen nur kurzfristig orientiert.
Im Bereich Aktien setzen wir stattdessen auf langfristig orientiertes Value Investing. Die Fundamentaldaten zeigen uns, ob ein Unternehmen auch dann noch Gewinne abwerfen kann, wenn dessen Branche oder sogar die gesamte Wirtschaft unter Druck gerät. Prof. Dr. Max Otte hat mit seiner Analyse hierfür einen eigenen methodischen Rahmen entwickelt, den er mit unserem Analystenteam erfolgreich für unsere Aktienfonds nutzt.
Beim Gold sieht es etwas anders aus. Da Gold keine laufenden Erträge erwirtschaftet – analog zu den Unternehmensgewinnen bei Aktien – und demzufolge auch keine Bilanzen veröffentlicht, ist unser Analyseansatz bei dieser Anlageklasse breiter aufgestellt. Wir setzen zunächst auf die Analyse der Nachfrage. Um bei der Goldpreisentwicklung zu einer fundierten Investmentthese zu gelangen, analysieren wir die bereits genannten geopolitischen und monetären Veränderungen – zum Beispiel die Haltung der Zentralbanken im Hinblick auf Dollar- und Goldreserven.
Ferner analysieren wir beim Gold auch konkrete Preissignale. Hierzu korrelieren wir den Goldpreis mit weiteren relevanten Finanzdaten. So ist etwa die landläufige These, der Goldpreis korreliere mit der Zinsentwicklung, historisch betrachtet falsch. Richtig ist vielmehr, dass der Goldpreis stark mit der Geldmengenentwicklung korreliert. Auch das Preisverhältnis gegenüber dem breiten Aktienmarkt ist erwähnenswert. Auf solche Beobachtungen bauen wir systematisch auf.
Es heißt, in Krisenzeiten bewähren sich Sachwerte. Inwieweit würden Sie dem zustimmen und wann ist es sinnvoll, das Portfolio umzuschichten?
Mittel- und langfristig bewähren sich Sachwerte immer für den Werterhalt Ihres Vermögens – egal ob Krise oder nicht. Durch die Inflation verliert Ihr Geld nämlich unerbittlich an Kaufkraft. Gerade wir Deutschen müssen in dieser Hinsicht umdenken. Noch immer liegen hierzulande etwa 2 Billionen Euro auf Sparkonten. Es ist offenbar bei vielen Menschen noch nicht angekommen, dass unsere Alltagswährung durch die Inflation ihre Kaufkraft verliert und daher lediglich kurzfristigen Werterhalt bietet. Im kollektiven Unbewussten glauben die Deutschen immer noch an eine stabile Währung. Historisch gesehen macht das auch Sinn. Ludwig Erhard hatte die Inflation als unverzeihliche Sünde bezeichnet. Entsprechend war die D-Mark lange Zeit eine harte und wertbeständige Währung.
Für die heutigen Verantwortlichen der Geldpolitik ist Inflation aber die Grundregel der Ökonomie. Das Minimalziel der Europäischen Zentralbank liegt bei zwei Prozent, es können aber auch vier oder fünf Prozent sein. Die tatsächliche Inflation wird in den offiziellen Berechnungen gar nicht wiedergegeben. Man denke beispielsweise an die Mietkosten, die für sehr viele Menschen der größte Kostenblock sind. Daher hat es fatale Folgen, wenn Sie Ihr Geld über längere Zeiträume mit Tagesgeld, Festgeld oder sogar auf dem Girokonto aufbewahren. Sie sollten alles Geld, das Sie in den kommenden drei Monaten nicht ausgeben werden, in Sachwerte umschichten.
Rechtlich gesehen sind Sachwerte wie Aktien und Gold außerdem Sondervermögen. Das bedeutet, sie sind nicht in den Bankbilanzen enthalten. Ihre Bank darf daher nicht auf das Sondervermögen zurückgreifen, um Verbindlichkeiten zu begleichen. Das gilt auch im Fall einer schweren Liquiditätskrise. Ihre Geldeinlagen sind hingegen im Fall einer Bankenkrise ab 100.000 Euro unwiderruflich verloren. Indirekt werden Sie aber auch schon bei kleineren Beträgen enteignet. Denn um die Banken zu retten, muss der Staat enorme Schulden machen. Das heizt die Inflation an und schwächt die Kaufkraft Ihres Geldvermögens. Mit Sachwerten wie Aktien und Gold sichern Sie sich also nicht nur gegen die Inflation ab, sondern auch gegen eine mögliche Bankenkrise.
Welche Investmenttrends sehen Sie bei der derzeitigen Gemengelage für das kommende Jahr?
Für Deutschland und die Europäische Union sieht die Zukunft leider düster aus. China und die USA haben uns in den Bereichen Technologie, Bildung, Infrastruktur und Innovation längst überholt. Damit Deutschland noch an der Weltspitze mitspielen kann, bräuchte es einen radikalen politischen Wandel. Danach sieht es aber nicht aus – die Insolvenz unseres Staats und der Volkswirtschaft lässt sich noch eine ganze Weile verschleppen. Sie sollten deshalb nicht in deutsche Unternehmen investieren, mit Ausnahme von gut positionierten Mittelständlern, die ihre Nische auch trotz der Standortnachteile weiterhin global dominieren. Solche Unternehmen werden hierzulande aber immer seltener.
Aktien aus BRICS-Staaten wie China sehen auf den ersten Blick verlockend aus. Schließlich haben sie gute Zukunftsaussichten und sind noch relativ günstig bewertet. Doch das politische Risiko nimmt zu. Wenn die politischen Spannungen eskalieren, könnten westliche Investoren plötzlich den Zugang zu diesen Märkten verlieren. Das führt, wie bei russischen Aktien, zum Totalverlust.
Eine Kombination aus Bluechips mit Sitz in den USA und handverlesenen Value-Titeln ist im Aktiensegment aus unserer Sicht die beste Wahl. Branchen, auf die unsere Fonds strategisch setzen, sind Big Tech, Konsumgüter, (fossile) Energie und Rohstoffe sowie solide Mittelständler. Berkshire Hathaway ist aufgrund seiner einzigartigen Unternehmensstruktur gesondert zu erwähnen. Dank hoher Liquiditätsbestände – mittlerweile sind es mehr als 325 Milliarden US-Dollar – eignet sich diese Aktie sehr gut als Krisen-Asset. Wenn es zu einem Crash kommt, kann Berkshire damit Anteile von Qualitätsunternehmen in großer Zahl erwerben und von einer späteren Erholung stark partizipieren.
Neben Aktien sollten Sie unbedingt auf Gold setzen. Zwischenzeitlich wird es auch hier zu Schwankungen kommen. Schwächephasen lassen sich aber gut für Nachkäufe nutzen. Gold wird in den kommenden Jahren den Bedarf an Krisenabsicherung bei renditeorientierten Investoren decken. Zentralbanken weltweit werden Goldreserven zur Stabilisierung ihrer Währung aufstocken. Und nicht zuletzt wächst gerade in Wachstumsmärkten wie Indien die Goldnachfrage im Schmucksegment. Der steigende Wohlstand macht sich hier langfristig bemerkbar. Und schließlich sollten Sie neben Gold jetzt auch wieder Silber auf Ihre Beobachtungsliste setzen. Denn Silber war lange Zeit gegenüber Gold unterbewertet und könnte schon bald eine Aufholrallye starten.
MK
Über unseren Gesprächspartner: Felix Schönherr ist Chefredakteur des Magazins POLITIK SPEZIAL und Produktexperte für den PI Physical Gold Fund bei der PI Privatinvestor Kapitalanlage GmbH. Er befasst sich seit über zehn Jahren mit den Themen Finanzmärkte und internationale Politik.