Rund 13 Millionen Menschen waren zu Beginn des Jahres 2023 hierzulande in Aktien investiert; so viele wie nie zuvor. Allerdings gilt diese Form der Geldanlage auch als besonders riskant – zu Recht? Prof. Dr. Lergenmüller ist Wirtschaftsprofessorin und Aufsichtsrätin mehrerer börsennotierter Unternehmen. In unserem Interview erklärt sie, warum es ihrer Meinung nach eigentlich ganz einfach ist, mit Aktien Geld zu verdienen und welche Fehler es auf dem Weg zum Erfolg zu vermeiden gilt.
Frau Prof. Dr. Lergenmüller, immer mehr Menschen fangen an, in Aktien zu investieren. Der Großteil der deutschen Privatanleger erwirtschaftet an der Börse aber nur zwei bis vier Prozent. Was ist der Grund dafür, dass die Leute an der Börse oftmals weniger Geld verdienen als auf dem Tagesgeldkonto?
Das ist richtig. Die meisten Privatanleger verdienen an der Börse nichts oder unterirdisch wenig. Das ist sehr schade, zumal alle in der heutigen Zeit darauf angewiesen sind, eigenes Vermögen zu bilden, um im Alter versorgt zu sein. Es ist auch schade, weil die Aktienanlage die renditestärkste Anlageform ist und so für die deutschen Privatanleger die allerbeste Anlageform darstellt, um langfristig Vermögen aufzubauen.
Der Grund dafür, dass Privatanleger oftmals nur eine geringe Rendite erzielen, ist verblüffend einfach: Sie denken richtig, aber handeln falsch. Was ich damit meine? Nun, der typische deutsche Privatanleger ist berufstätig, als Angestellter oder als Selbständiger und möchte das erwirtschaftete Geld langfristig, mit Rendite und zudem sicher anlegen. Dann denkt er oder sie an Aktien. Und damit liegt er goldrichtig, denn Aktien sind langfristig renditestark und sicher, weil die Wahrscheinlichkeit, mit Aktien Geld zu verlieren, bei einem langfristigen Anlagehorizont von acht bis zehn Jahren und ganz einfachen Strategien gegen Null geht. Soweit ist alles richtig gedacht. Aber dann handeln die Privatanleger falsch. Es ist statistisch signifikant nachweisbar, dass Privatanleger immer zum falschen Zeitpunkt kaufen und verkaufen. Privatanleger kaufen, wenn die Aktienkurse steigen und verkaufen, wenn die Aktienkurse fallen. Gute Investoren handeln genau umgekehrt: Sie kaufen, wenn die Aktienkurse fallen und verkaufen, wenn die Aktienkurse steigen.
Das wissen auch viele Privatanleger. Sie sagen mir das auch – »Ja, ich weiß: antizyklisch handeln« – warum aber tun sie das nicht? Es sind die Informationen, mit denen sie überschwemmt werden. Wenn die Aktienkurse fallen, sind die Finanz- und Wirtschaftsberichte voll mit negativen Nachrichten. Hohe Inflation, Rezession, Insolvenzen, Gewinnrückgänge, weniger Umsatz und so weiter. Der Privatanleger gerät in Panik und verkauft. Der Investor bleibt ruhig und kauft in der Krise.
Wenn die Kurse steigen, sind alle euphorisch; die Stimmung ist gut bis überschwänglich. Die Privatanleger kaufen Aktien, die Investoren werden misstrauisch und verkaufen Aktien. Immer wieder ist es das gleiche Spiel! So entsteht bei den Privatanlegern der Eindruck, dass nur die Reichen würden verdienen und die Armen verlieren.
Ist es heutzutage für den normalen Anleger überhaupt noch möglich, mit Aktien vermögend zu werden?
Ja klar, gerade der normale Anleger ist dafür prädestiniert, um mit Aktien vermögend zu werden. Er denkt langfristig und das ist das Allerwichtigste an der Aktienbörse.
Die Privatanleger müssen »nur« lernen, ihr langfristiges Denken konsequent umzusetzen. Schwer ist das nicht. Wer es einmal verstanden hat, der wird dies sofort verinnerlichen. Es ist aber notwendig, als Privatanleger die grundlegenden Strategien an der Aktienbörse zu verstehen. Und nicht nur zu verstehen, sondern auch sofort anzuwenden. Denn das Denken und Handeln geht Hand-in-Hand. Es reicht nicht, das Richtige zu denken, wenn ich mich dennoch entgegensetzt handle. Wie schon gesagt, es reicht nicht zu wissen, »Ich muss antizyklisch investieren«, wenn ich mich dennoch von meinen Emotionen leiten lasse und dann doch mit der Masse gehe und nicht gegen den Strom schwimmen gelernt habe. Im Moment schaffen das nur wenige Privatanleger. Viele kaufen zwar großartige Aktien, halten diese aber nicht langfristig, sondern verkaufen sofort nach einem Kursgewinn von 30 oder 40 Prozent und verpassen dann den riesengroßen weiteren Anstieg. Oder sie verkaufen ihre großartigen Aktien, weil der Kurs um zehn oder zwanzig Prozent fällt und verpassen dann auch die Erholung und den riesengroßen weiteren Anstieg. So viele Privatanleger kommen zu mir und sagen: »Ja, ich hatte ja mal Apple oder Tesla oder Nvidia, aber ich habe viel zu früh verkauft«.
Das meine ich mit langfristig. Großartige Aktien verkaufe ich nie – die halte ich ewig!
Was muss man dafür tun, um mit Aktien langfristig finanziellen Erfolg zu haben, sodass man eines Tages vielleicht sogar von seinen Investitionen leben kann?
Um mit Aktien langfristig finanziellen Erfolg zu haben, muss man kein Börsenprofi sein. Privatanleger können ebenso effektiv wie die Profis gewinnbringende Aktien auswählen, um dann in einigen Jahren davon leben zu können. Was Sie dafür tun müssen, ist, wie ein Investor zu denken und strategisch vorzugehen. Dazu gehört, ein stabiles und diversifiziertes Depot mit Einzelaktien aufzubauen.
Ich rate immer zu Einzelaktien, weil die Privatanleger so nach strategischen Kriterien ihre Portfolios zusammenstellen können. Das ist wesentlich renditestärker als ein Fonds oder ETF, weil gezielt Aktien ausgewählt werden, die strategischen Kriterien genügen, wie starkes Gewinn- und Umsatzwachstum, moderate Bewertung, eine solide Bilanz und ein erfolgsorientiertes Management.
Ziel sollte sein, großartige Aktien zu finden, die der Privatanleger lange halten kann und will. In jedem Fall sollten Privatanleger aufhören, nach der einen einzigen Turnaround-Aktie zu suchen, die exorbitante Renditen abwirft. Setzt der Privatanleger hauptsächlich auf eine einzige, oder wenige, Aktien, dann bleibt nur die Hoffnung, dass diese eine einzige Aktie die Erwartungen erfüllt. Damit ist die Angst vorprogrammiert. Und bei Kursrückgängen wird dann aus Angst und in Panik die Aktie verkauft, obwohl sich bei dem Unternehmen überhaupt gar nichts geändert hat. Wesentlich aussichtsreicher ist es, sich ein strategisches Aktien-Portfolio mit circa 20 bis 40Aktien anzulegen und so in mehrere, erfolgsversprechende Unternehmen zu investieren. Diese Aktien einfach halten und nur dann verkaufen, wenn die ursprüngliche Investitionsthese nicht mehr stimmt! So haben Privatanleger langfristig finanziellen Erfolg und können eines Tages von ihren Investments leben.
Was sind die Top-3-Gründe, warum die meisten Anleger diese Wunschvorstellung niemals erreichen?
Die Top-3-Gründe, warum Anleger das niemals erreichen, sind:
- Ständiges Ein- und Aussteigen
Beim ständigen Ein- und Aussteigen aus Aktien werden zu oft die wichtigen Kursanstiege verpasst. Der Wiedereinstieg gelingt nicht und ist viel schwerer als gedacht. Unter anderem auch, weil viele der besten Tage auf dem Aktienmarkt direkt nach den schlimmsten Tagen kommen. Deshalb hat sich gezeigt, dass Investoren belohnt werden, wenn sie sich an ihre Strategie halten und die schlechten Tage am Aktienmarkt durchstehen.
- Keine Strategie beim Investieren
Jeder weiß, dass man ein Spiel mit einer geeigneten Strategie gewinnt. Beim Sport gewinnt die Mannschaft mit der besseren Strategie. Das Unternehmen gewinnt Marktanteile mit der besseren Strategie. Nur bei Aktien-Investments handeln die Privatanleger vollkommen ohne Strategie. Dabei ist bereits die einfachste Strategie erfolgreich. Das erkläre ich gerne anhand des Dax-Pechvogels. Dieser investiert 37 Jahre lang in Aktien des Dax, erwischt aber jedes Jahr den ungünstigsten Zeitpunkt, nämlich den Tag, an dem die Aktien am teuersten sind – und das 37 Jahre lang. Das Ergebnis ist: Der Dax-Pechvogel erzielt mit dieser einfachen Strategie eine Rendite von 5,7 Prozent jährlich. Das ist mehr als die zu Beginn erwähnte durchschnittliche Rendite von deutschen Privatanlegern von zwei bis vier Prozent. Bedenkt man jetzt, dass kein einziger Privatanleger so viel Pech haben kann wie der Dax-Pechvogel, dann muss er mit dieser einfachen Strategie eine wesentlich höhere Rendite erzielen. Wenn er diese einfache Strategie mit noch ein oder zwei weiteren Strategien kombiniert, erzielt er Überrenditen. So einfach und doch so wenig befolgt.
- Emotionen beim Kauf und Verkauf
Emotionen wie Angst und Gier sind treibende Kräfte hinter vielen Entscheidungen an der Börse. In unsicheren Zeiten tendieren Privatanleger dazu, panisch ihre Aktien zu verkaufen, aus Angst vor Verlusten. Übermäßige Gier und der Wunsch nach schnellen Gewinnen führen oft dazu, dass Privatanleger in überbewertete Aktien investieren, was letztendlich ebenfalls oft zu Verlusten führt. Wenn Privatanleger zu erfolgreichen Investoren werden wollen, müssen sie lernen, ihre Emotionen zu kontrollieren und rationale Entscheidungen zu treffen. Sie sollten verstehen, dass Börsenbewegungen normal sind und Kursrückgänge oder Kursanstiege nicht unbedingt den langfristigen Erfolg eines Unternehmens widerspiegeln.
Stellen Sie sich vor: Sie müssten wieder komplett von vorne anfangen. Wenn Sie heute noch 10.000 Euro hätten und würden damit starten, was würden Sie damit an der Börse als Erstes machen?
Wenn ich noch einmal 10.000 Euro hätte und von vorne starten müsste, würde ich als Erstes einen gewissen Teil in mein Wissen investieren, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Ich würde mir jemanden suchen, der bereits erfolgreich an der Börse investiert und es mit denselben Voraussetzungen geschafft hat, dorthin zu kommen, wo ich sein möchte.
Jemand, der idealerweise Millionär geworden ist und von der Rendite bereits leben kann – eben dank dieser Strategien. Ich würde in diese Person investieren und mir somit das Wissen und das Netzwerk einkaufen, um danach einfacher und mit höherer Gewissheit in die richtigen Unternehmen investieren zu können und damit mein Vermögen aufbauen.
Würde ich die 10.000 Euro einfach nur wahllos in irgendwelche Aktienwerte stecken – vorausgesetzt, ich hätte keine Erfahrung – dann würde es dazu führen, dass teure Fehler entstehen. Mit einem erfahrenen Partner an meiner Seite kann ich das Risiko minimieren und hätte jemanden, der mich dabei unterstützt, meine Ziele zu erreichen. Das ist im Prinzip die Essenz meiner Arbeit: Ich habe nämlich bereits aus einem kleinen fünfstelligen Betrag mein Vermögen aufgebaut und helfe anderen es mir gleich zu tun.
Die Gesprächspartnerin: Prof. Dr. Karina Lergenmüller ist Autorin und Professorin für Wirtschaft. Darüber hinaus ist sie Finanzexpertin für Selbstständige und Privatpersonen. In Seminaren und Coachings erläutert sie ihre Finanzkonzepte anhand praxisnaher Beispiele.
Bilder: Dustin Gehrmann