Warren Buffett, der Börsenguru aus Omaha, lehrt uns: »Seid gierig, wenn alle ängstlich sind. Seid ängstlich, wenn alle gierig sind.« So empfiehlt auch Marc Friedrich, Marktkenner und Sachbuchautor im Bereich Wirtschaft und Finanzen im Interview mit wirtschaft tv, antizyklisch zu investieren. Dies bedeutet, einen branchenübergreifenden Abverkauf am Aktienmarkt aufgrund von globalen Unsicherheiten zu nutzen, um günstig Wertpapiere zu erwerben.
Warum kommt es zu einer Panik am Markt?
Um die Marktpsychologie in Verbindung von Hausse und Baisse zu verstehen, muss man die menschliche Psyche beziehungsweise deren Emotionen studieren. Der heutige Aktienmarkt hat sich längst aus der Realwirtschaft entkoppelt. Eine eigene Analyse der Wachstumsraten zwischen EURO STOXX 50 und dem EU BIP (Eurostat) zeigt, dass in den letzten vier Jahren eines der führenden Börsenbarometer Europas um durchschnittlich 15 Prozent- punkte, teilweise sogar 25 Prozent, stärker stieg beziehungsweise weniger stark fiel als die Realwirtschaft. Scheinbar fußt die Kursentwicklung nicht mehr auf fundamentalen Kennzahlen wie dem Gewinn oder Verlust eines Unternehmens, sondern vielmehr auf Marketing-Feldzügen, Hypes, einem damit verbundenen Herdentrieb und der Hoffnung auf stetiges Wachstum in der Zukunft.
Wird eine Branche oder sogar ein einzelnes börsennotiertes Unternehmen von der Herde als kaufwürdig auserkoren, scheinen Kennzahlen nicht mehr weiter wichtig. Viel höhere Bedeutung misst man den Soft Facts bei. Besonders anschaulich wird dies bei dem US-Automobilhersteller Tesla demonstriert. Volkswagen produziert beispielsweise das Zehnfache an Autos, jedoch ist die Marktkapitalisierung um das 12-Fache kleiner als beim Elektro-Pionier. Es wurde erreicht, dass die Coolness der Produkte, kurzfristige Trends, Influencer und künstlich aufgeblähte Förderpakete den Kaufpreis bestimmen. Infolge eines Kaufrausches werden Marktkapitalisierungen in irrationale Höhen getrieben, welche den tatsächlichen Wert der Unternehmen bzw. einer Branche um das Vielfache übersteigen.
Krieg, Pandemie, Inflation oder einfach ein schlechtes Management vermindern nicht nur die Kauflust im Allgemeinen, sondern schüren im Besonderen Existenzängste in jedem einzelnen Aktionär. Dies beweist auch der aktuelle Fear and Greed Index von CNN, da er aktuell zwischen »Angst« und »extremer Angst« hin und her springt. So wie die Herde dem schnellen Geld blind hinterherrennt, so schnell läuft sie knieschlotternd wieder davon.
Wieso trifft uns die Panik immer und immer wieder?
Weil wir feiern, bis der Letzte das Licht abdreht. Jeder liebt die Party, hat Angst, etwas zu verpassen und niemand weiß, wann es schon genug ist. Marc Friedrich kritisiert die Geldschwemme der EZB und das Durchschleppen kranker und unproduktiver Unternehmen als Produktion von Zombie-Unternehmen, die durch Corona-Hilfen die Wirtschaftsdynamik erlahmen lassen. Anstatt diese offensichtliche Verstärkung von strukturellen Problemen frühzeitig zu erkennen, investiert man Geld, das man nicht besitzt, in überteuerte Aktien, pracht- volle Eigenheime und anderen Luxus, statt in Sicherheiten für schlechte Zeiten. Besonders in Deutschland und Österreich ist die Skepsis vor dem Börsenmarkt anhand schwacher finanzieller Vorbildung, Bauchgefühl-Käufen und Panik-Verkäufen historisch hoch. Laut einer Statistik der Statista GmbH besaßen im Jahr 2021 nur etwa 17,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren Anteilsscheine von Unternehmen oder Aktienfonds.
Wie kann man als Anleger von der Panik an den Märkten profitieren?
Marc Friedrich bestätigt, das die heutige Unsicherheit am Markt angesichts von Schwierigkeiten in den Lieferketten, Lockdowns in Asien und dem Russland-Ukraine-Krieg durchaus berechtigt sei. Er führt weiter aus, dass in diesen Zeiten die Diversifikation in stabile Sachwerte gefragt sei. Neben Aktien seien auch essenzielle Rohstoffe, Gold oder Bitcoins als Vermögenswerte geeignet, um Verlusten durch eine Marktpanik entgegenzuwirken.
Nicht außer Acht zu lassen ist der Einfluss von Staaten und Institutionen durch harte, nicht absehbare Eingriffe in die freie Marktwirtschaft. Marc Friedrich sagte im Interview, dass in Zeiten großer Angst und Unsicherheit Produkte des täglichen Bedarfs, die eigene Gesundheit und die Absicherung durch Alternativen zu Fiat-Währungen in den Vordergrund rückten. Sogenannte systemrelevante Unternehmen und Rohstoffe gewinnen an Wert. Sie sichern durch die Notwendigkeit ihrer Produkte, internationale Tätigkeiten und Marktführerschaft ihren Absatz und somit auch das Vermögen der Anleger. Zusätzlich bekräftigt er Gold als Schutz in Krisenzeiten. Immer wieder wird das Edelmetall anlässlich seiner Beschaffenheit und begrenzten Verfügbarkeit zum sicheren Hafen für Investoren.
Um von der Panik zu profitieren, rät Marc Friedrich im Interview »zu Ruhe«. Um sich nicht vom tosenden Marktgeschrei mitreißen zu lassen. Gezielte, gut recherchierte Käufe in mehreren Tranchen von verschiedenen Assets verhelfen ihm zufolge zu einer Risikominimierung. Es sei stets ratsam, einen Vermögenswert mit breitem Fundament und stabilen Kennzahlen einer hochgejubelten Eintagsfliege vorzuziehen. Erst dann lassen sich kurzfristige Kursverluste durch eine sich »gesund« entwickelnde Umsatzsteigerung der gewählten Unternehmen in jährliche Renditen verwandeln.
DBE