Die in der Pandemie gesunkene Nachfrage drückt allgemein stark auf die Preise. In 12 von 19 Euro-Staaten ist die Inflationsrate im Mai ins Negative gerutscht: In Deutschland sanken die Preise im Mai zwar nur um 0,5 Prozent, aber in Estland z.B. um 1,8 Prozent. Es wird erwartet, dass die Inflationsrate im Juni im gesamten Euro-Raum unter Null liegen wird, und damit deutlich niedriger sein wird, als von der EZB prognostiziert.
Größter Treiber beim Wertanstieg des Geldes ist der Verfall der Ölpreise. In der Euro-Zone fiel der der Energiepreis durchschnittlich um fast 12 Prozent. In Deutschland fiel er um 8,5 Prozent, berichtete die FAZ. Der Grund für die Unterschiede ist vor allem der hohe Anteil von Steuern, der in Deutschland auf die Energie erhoben wird. Deshalb macht sich auch die sinkende Inflationsrate in Deutschland weniger bemerkbar.
Auch die Erzeugerpreise sind mit 4,5 Prozent kräftig gesunken, die Importpreise fallen weiter. Gleichzeitig erwarten viele Wirtschaftszweige einer Umfrage der Bank Sarasin zu Folge sinkende Verkaufspreise. Das wird für ein Minus vor der Inflationsrate im gesamten Euro-Raum sorgen. In Deutschland könnte die Senkung der Mehrwertsteuer die Inflation theoretisch sogar auf minus 1,5 Prozent bringen. Tatsächlich aber erwartet man eine Inflation von minus 0,8 Prozent bis Ende des Jahres.
Die EZB strebt eine Geldentwertung von etwas unter zwei Prozent an. Sinkt die Inflationsrate deutlich ab, könnte die Deflationsspirale einsetzen, die zur Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten führt, aber auch zu einer Deflation von Anlagen oder zu Problemen bei Krediten führen. So könnten dann zum Beispiel die Preise für bestimmte Anlagen weniger schnell steigen oder sogar abnehmen. Kritisch ist das dann, wenn sie, wie bei Immobilien oder Eigenheimen üblich, über Kredite finanziert wurden. Die Kreditsumme könnte dann den augenblicklichen Geldwert der beliehenen Sicherheit übersteigen und würde auch den Kapitaldienst zu hoch ausfallen lassen.
Um der Kaufzurückhaltung vorzubeugen, würden Einzelhändler schon jetzt ihre Verkaufspreise senken, hieß es vom Handelsverband DHE. Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Bankhaus Beerenberg: „Mit echter Deflation hat das nichts zu tun.“ die Sorge, Kreditnehmern könnte es bei fallenden Preisen und Einkommen schwerer fallen, ihre Kredite zu bedienen, treffe hier nicht zu, meinte Schmieding: „Stattdessen werden die Realeinkommen der Unternehmen und Haushalte ja eher gestärkt.“
Die Fondsgesellschaft Quant Capital Management hält es derzeit nicht für wahrscheinlich, dass eine Deflationsspirale in Gang kommt, auch wenn sie gleichzeitig Rabattschlachten für möglich hält. Die Großhandelspreise seien so stark gesunken wie zuletzt 2008/2009. Die wirtschaftspolitischen Schritte, die hohen finanziellen Hilfen durch den Staat erhöhen die Geldmenge und wirken einer Geldaufwertung entgegen. Die gesunkenen Preise dürften eine Belebung des Konsums bewirken und die Energiepreise wie auch die Nachfrage dürfte jetzt ihren Boden erreicht haben, hofft die Fondsgesellschaft.
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